Kreislaufwirtschaft im Brennpunkt des Ringens um Rohstoffe
Die erhoffte Energiewende kommt nicht ohne bestimmte Rohstoffe aus. Das Tauziehen um diese Ressourcen ist in vollem Gange, was nicht zuletzt in den Präsidentschaftswahlen in den USA zum Thema geworden ist. Die Kreislaufwirtschaft erweist sich dabei als ein Schlüssel zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Das ist auch aus Anlegersicht von Bedeutung.
Autoren: Yohann Terry, Portfolio Manager, und Cezara-Maria Lozneanu, Senior Analystin
Lithium, Nickel, Kupfer oder Seltene Erden: Ihre massenhafte Verfügbarkeit wird entscheidend sein, um die Vision der Klimaneutralität und einer dekarbonisierten Wirtschaft in die Tat umzusetzen.
Denn alle diese Rohstoffe stehen am Ausgangspunkt jener Technologien, welche die Wende hin zu sauberen und erneuerbaren Energien erst möglich machen; ohne Lithium und Nickel keine Batterien für den Antrieb von Elektroautomobilen (EV), ohne Seltene Erden keine Elektromotoren. Und ohne Kupfer keine Netze, um den grünen Strom zu übertragen.
Wer zieht den Kürzeren?
Das aus der Nachhaltigkeits-Perspektive dringend erwünschte Vorgehen gegen den Klimawandel führt deshalb auch an anderer Stelle zu Herausforderungen: In dem Masse nämlich, wie sich saubere Energieträger weltweit durchsetzen, dürfte sich auch die Nachfrage nach deren Ausgangsstoffen verstärken.
Regionen, die nicht über eigene Vorkommen verfügen, drohen in dieser Auseinandersetzung den Kürzeren zu ziehen. Entsprechend suchen sie sich den Zugang zu diesen Basismaterialien zu sichern, oder sie bemühen sich, möglichst autark von konfliktträchtigen Lieferanten zu werden. Jenes Ringen um wirtschaftliche Unabhängigkeit geht deshalb Hand in Hand mit den Bemühungen um eine Energiewende.
Damit tritt die Kreislaufwirtschaft ins Rampenlicht. Denn diese verspricht nicht nur einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Sie erweist sich auch als überaus nützlich, um bereits im Umlauf befindliche Stoffe im jeweiligen Kreislauf zu halten. Anlegerinnen und Anleger, die auf das Investmentthema «Circular Economy» setzen, sollten den Faktor wirtschaftliche Unabhängigkeit daher stets im Auge behalten.
Globalisierung weicht der Regionalisierung
Dies umso mehr, als westliche Länder bereits jetzt in hohem Masse von instabilen oder politisch konkurrierenden Staaten abhängig zu sein scheinen, was die Versorgung mit kritischen Rohstoffen betrifft. 60% der weltweit geförderten Seltenen Erden stammen aus China, fast 60% des Kobalts aus der Demokratischen Republik Kongo und rund ein Viertel aller Platinmetalle aus Russland (siehe Grafik unten). Die EU-Kommission stellte bereits fest, dass der Staatenbund mit Risiken in Bezug auf die Versorgung mit 27 verschiedenen Rohstoffen konfrontiert ist, welche für High-Tech-Produkte unerlässlich sind.
Weltweite Produktion von kritischen Rohstoffen (Anteile in %)
Diese Ballung von Vorkommen in einigen wenigen Ländern könnte mögliche geopolitische Spannungen in Zukunft verschärfen. Wie der Globalisierungs-Index der KOF-Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zeigt, haben solche Konflikte bereits – zusammen mit der Corona-Pandemie – zu einer merklichen Abkühlung des Welthandels geführt. Der Index misst die drei Kriterien wirtschaftliche Globalisierung, kulturelle und soziale Globalisierung sowie politische Globalisierung. Für diese Kriterien wird jeweils Indexwert ermittelt (siehe Grafik unten).
Staaten und politische Organisationen haben die Bedeutung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit erkannt, zumal im industrialisierten Westen. So haben die USA im vergangenen Frühling die Einfuhrzölle auf Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge von 7,5 auf 25% angehoben. Markant gesteigert wurden auch die Importabgaben auf chinesischen Elektrofahrzeugen, Solarzellen und einzelnen Rohstoffen.
Mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahlen im November dieses Jahres könnte der Wind aus dieser Richtung bald noch rauer wehen. Donald Trump, Kandidat der Republikanischen Partei, hat nochmals höhere Zölle gegen China in Aussicht gestellt und damit bereits für viel Nervosität an den Rohstoffmärkten gesorgt.
KOF-Globalisierungs-Index: Covid und politische Spannungen haben eine Trendwende in der Globalisierungsrate bewirkt (in Indexpunkten)
Auf lange Frist besehen suchen Industriestaaten ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit auch mit strategischen Programmen zu sichern. Zu denken ist etwa an den «Inflation Reduction Act» (IRA) der USA, den «Critical Raw Materials Act» (CRM) der EU oder die «Critical Minerals Strategy» Kanadas.
Staatliche Unterstützung für wiederverwendete Stoffe
Auch hier hat deshalb das Tauziehen um wirtschaftliche Unabhängigkeit eingesetzt. So haben die USA Mitte 2023 innerhalb der IRA-Gesetzgebung zur Bekämpfung der Inflation einen Passus für Subventionen erlassen, der das Recycling von Elektroautobatterien ankurbeln soll: Alle in den Vereinigten Staaten verarbeiteten Batteriematerialien gelten nun als «Made in America» und tragen zum Mindestanteil an Komponenten bei, die in den USA oder befreundeten Ländern hergestellt werden. Dadurch können Fahrzeuge einen höheren Recyclinganteil erreichen und kommen erst noch für staatliche Unterstützung in Frage. In den Vereinigten Staaten erleben Recyclingzentren bereits einen Boom.
Auch Europa ist aktiv geworden: In einer Regulierung vom Sommer 2023 zielt die EU darauf ab, die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Damit soll unter anderem der Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft vorangetrieben, andererseits die Abhängigkeit von Drittstaaten bei Batterierohstoffen reduziert werden. Für das Recycling jener Rohstoffe wurden so Mindestwerte eingeführt, beginnend bei 6% für Lithium und Nickel.
Abkehr von der linearen Wirtschaft
Für Anlegerinnen und Anleger, die sich auf die Kreislaufwirtschaft als Anlagethema fokussieren, dürfte diese Entwicklung von grosser Bedeutung sein – weltweit ergreifen Regierungen Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, während Unternehmen zunehmend zirkuläre Prozesse anwenden. Die Kreislaufwirtschaft bietet somit eine gute Mischung aus nachhaltigem Engagement und Rentabilität.
Dabei ist das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien, die in Elektrofahrzeugen verwendet werden, ein Beispiel, bei dem die Kombination von Nachhaltigkeitszielen, und wirtschaftlicher Unabhängigkeit aus Investorensicht interessant sein könnte. Jene Batterien sind aus Sicht der Kreislaufwirtschaft besonders wertvoll, weil ihre Basismaterialien zigmal wiederverwendet werden können, ohne ihre Wirkung zu verlieren.
Bereits ab dem Jahr 2040 könnten laut einem Bericht der Agentur «Reuters» 40% der neuen Elektroauto-Batterien aus recycelten Materialien stammen. Derweil schätzt das Beratungsunternehmen Circular Energy Storage, dass sich das Gesamtvolumen wiederverwerteter Elektroauto-Batterien bis 2030 verzehnfacht. Dem Analysehaus EMR zufolge soll der gesamte Markt für recycelte Batterien von USD 11 auf 18 Milliarden im Jahr 2028 anwachsen.
Entwicklung steht noch am Anfang
Aus Anlegersicht muss die Attraktivität der einzelnen Teilsektoren der Kreislaufwirtschaft jedoch sorgfältig analysiert werden. Besonders wichtig erscheint dies bei der Verarbeitung kritischer Rohstoffe, da dieser Sektor stark diversifiziert ist und sich häufig noch in der Investitions- oder Start-up-Phase befindet.
Angesichts dieser Komplexität können von Expertenteams aktiv verwaltete Fonds einen grossen Mehrwert bieten: Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank verfügt über eine langjährige und fundierte Expertise in nachhaltigen Themeninvestments und hat dem langfristigen Anlagethema Kreislaufwirtschaft eine dedizierte, nachhaltige Anlagestrategie gewidmet.