Unternehmensanleihen: Einmal mehr wie Teflon bei volatilen Zinsen
Portfoliomanager Daniele Paglia blickt auf spannende neun Monate an den Anleihenmärkten zurück. Nun erklärt er, welche Unternehmens-Bonds attraktiv erscheinen, und was von den US-Präsidentschaftswahlen als Einflussgrösse zu halten ist.
Daniele, was waren bisher die grössten Herausforderungen für Corporate-Bond-Investoren im 2024?
2024 war für Bond-Investoren kein langweiliges Jahr! Die Unsicherheit über die Inflationsentwicklung und die selbstdeklarierte Datenabhängigkeit der Zentralbanken haben für eine hohe Zinsvolatilität gesorgt. In vielen Ländern haben Wahlen stattgefunden, welche die Bürgerinnen und Bürger polarisierten. Und die wichtigsten, die US-Präsidentenwahlen, stehen uns noch bevor. Dazu kommen die angespannte geopolitischen Lage und die Unsicherheit über die Entwicklung der Konjunktur.
Wie haben globale Unternehmensanleihen darauf reagiert?
Unternehmensanleihen haben einmal mehr ihre Teflon-Eigenschaft bewiesen. Die absolute Performance wurde durch die volatile Zinsentwicklung zwar beeinflusst. Aber die Risikoprämie – die Überschussrendite im Vergleich zu Staatsanleihen – hat sich kontinuierlich reduziert. Selbst während der Korrektur der Aktienmärkte in August ist keine Panik aufgekommen. Mit der sich daraus ergebenden moderaten Spread-Ausweitung haben sich interessante Anlagemöglichkeiten eröffnet.
Auf was führst du diese Resilienz zurück?
Die grosse Nachfrage der Investoren und der hohe Zufluss an anlagesuchende Mittel waren eine wichtige Stütze für den Markt. Selbst die überdurchschnittlich grosse Lawine an Neuemissionen konnte problemlos absorbiert werden. Renditegetriebene Investoren bevorzugen weiterhin den Markt für Investment Grade Unternehmensanleihen. Diese vorteilhaften Rahmenbedingungen dürften im vierten Quartal durch positive saisonale Faktoren noch verstärkt werden.
Was ist konkret zu erwarten?
Unternehmensanleihen befinden sich in einem Sweetspot bezogen auf die an den Märkten erwartete konjunkturelle Entwicklung mit tiefer Inflation und moderatem Wachstum. Zusätzlich besitzen Emittenten im Investment-Grade-Bereich sehr solide Bilanzen und können auch eine Abschwächung der Konjunktur problemlos verkraften.
Selbst die überdurchschnittlich grosse Lawine an Neuemissionen konnte problemlos absorbiert werden
Daniele Paglia, Portfoliomanager, Global Fixed Income
Gilt das für jeden Wirtschaftssektor und jeder Emittent?
Nein, wir sind vor allem bei einigen zyklischen Sektoren sehr vorsichtig. Zum Beispiel der Autosektor sieht sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Neben einer abflachende Konsumnachfrage kämpfen Hersteller und Lieferanten mit selbstverschuldeten Überkapazitäten und einen politisch gesteuerten Übergang zur Elektromobilität. Wir favorisieren daher nicht-zyklische Sektoren wie Gesundheit und Telekommunikation. Als günstige Absicherung gegen geopolitische Verwerfungen gefällt uns auch der Energiesektor. Da das Umfeld unsicher ist und die Risikoprämien historisch gesehen relativ tief sind, bleibt die Selektion der Emittenten zentral.
Worauf ist dabei zu achten?
Wir bevorzugen solide Firmen mit transparenten Geschäftsmodellen, von denen wir gerne auch nachrangige Anleihen kaufen. Nachrangige Anleihen sowohl im Finanzbereich (Banken und Versicherungen) als auch im Nicht-Finanz-Bereich (Corporate Hybrids) bieten eine interessante Zusatzprämie und wahren im bisherigen Jahresverlauf die Segmenten mit der besten Performance im festverzinslichen Bereich.
Als letzte grosse Zentralbank hat die amerikanische Notenbank Fed im vergangenen September die Leitzinsen gesenkt, weitere Zins-Cuts werden erwartet. Was bedeutet dies für dem Bondmarkt im Allgemeinen und für Unternehmensanleihen im Speziellen?
Die bereits erfolgten Zinssenkungen und die in den Zinskurven eingepreisten, noch zu erwartende Schritten haben zu einer lang ersehnten Normalisierung der Zinskurven geführt. Zum ersten Mal nach mehr als zwei Jahren liegt die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen unter derjenige der zehnjährigen.
Was signalisiert das?
Steilere Kurven wirken sich positiv auf Unternehmensanleihen aus, da sie renditesuchende Mittel aus den weniger rentierenden, kurzfristigen Geldanlagen anziehen. Tiefere kurzfristige Zinsen haben zudem auch indirekt eine positive Wirkung auf Unternehmensanleihen, da sie die Finanzierungskosten von Firmen und Konsumenten reduzieren und die Konjunktur unterstützen. Nicht zuletzt erhöhen tiefere kurzfristige US-Dollar und Euro Zinsen auch die Attraktivität von globalen Unternehmensanleihen für Schweizer Investoren, da sie den Abstand mit den hiesigen Zinsen und somit die Kosten für die Währungsabsicherung reduzieren.
Welche Sektoren profitieren am meisten von tieferen Zinsen?
Der Hauptgewinner der tieferen Zinsen ist ohne Zweifel der Immobiliensektor. Nach einem katastrophalen Jahr 2022, als die abrupte Zunahme der Zinsen die Risikoprämien explodieren liess und vielen Immobilienfirmen den Zugang zum Anleihenmarkt für die Refinanzierung ihrer Schulden verwehrt blieb, hat der Sektor dieses Jahr bei weitem die beste Performance hingelegt. Nichtsdestotrotz bleiben wir vor allem bei Europäischen Immobilienfirmen vorsichtig, da die Verschuldungsquote sehr hoch ist und die strukturellen Probleme nicht gelöst sind. Für Finanzunternehmen ist das Bild gemischt. Einerseits wird die Netto-Zinsmarge unter tieferen Zinsen leiden, andersseits wirken steilere Kurven positiv auf die Fristentransformation. Insgesamt bleiben wir positiv für Banken und Versicherungen, konzentrieren wir uns aber auf die solideren «National Champions».
Inwieweit spielen die US-Präsidentschaftswahlen eine Rolle bei der Titelauswahl - und welche Sektoren sind zu favorisieren, sollte Harris oder Trump gewählt werden?
Die Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen auf die Märkte sind oft kurzfristiger Natur, sind schwer abzuschätzen und werden oft überschätzt. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass ein Sieg der demokratischen Kandidatin tendenziell negativ für die Aktienmärkte und den Dollar wäre und zu tieferen Zinsen führen würde, während ein Sieg Trumps zu gegenteiligen Bewegungen führen würde, die aber von seiner notorischen Unberechenbarkeit überlagert wären. Unabhängig vom Resultat wird das Ende der Unsicherheit positiv sein. Die Auswirkungen auf Unternehmensanleihen wären höchstens indirekt und langfristiger Natur. Wir haben unsere Positionierung im US-Gesundheitssektor überprüft, aber keine weiteren wahlspezifischen Umschichtungen vorgenommen.