Wie Swisscanto: ISS verlangt Wirtschaftsprüfer-Rotation
Bereits an den diesjährigen Generalversammlungen vieler Unternehmen in der Schweiz und in Kontinentaleuropa dürfte ein Thema für Diskussionen sorgen: die Wirtschaftsprüfer-Rotation. Ab 2026 verlangt diese neu auch der Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services (ISS). Seine Vorgaben decken sich im Wesentlichen mit der bestehenden Swisscanto-Regelung.
Autoren: Jacqueline Oh und Rocchino Contangelo

Was besagt die neue Regelung zur Wirtschaftsprüfer-Rotation?
Die Swisscanto-Regelung zur Wirtschaftsprüfer-Rotation schreibt vor, dass kotierte Unternehmen spätestens nach zehn Jahren das Mandat eines Wirtschaftsprüfers öffentlich neu ausschreiben müssen. Diese Richtlinie steht im Einklang mit der EU-Verordnung Nr. 537/2014, die für Unternehmen von öffentlichem Interesse eine maximale Mandatsdauer ihrer Wirtschaftsprüfer von zehn Jahren vorsieht.
Die Fondsleitungen von Swisscanto und Swisscanto Asset Management International haben diese Vorgaben bereits vor Jahren frühzeitig und sukzessive in ihre Abstimmungspolitik und -richtlinien implementiert. Seither wurde die zulässige Mandatsdauer eines Wirtschaftsprüfers von ursprünglich 20 Jahren schrittweise auf nunmehr zehn Jahre reduziert. Dies vor dem Hintergrund, dass Unternehmen mit einer langen Mandatsdauer ihrer Wirtschaftsprüfer sich entsprechend vorbereiten können. Gleichzeitig kann Swisscanto im Rahmen ihrer Engagement-Aktivitäten bei den Verwaltungsräten der entsprechenden Unternehmen auf eine Veränderung hinwirken.
Nachdem nun auch der Stimmrechtsberater ISS diese Regelung für 2026 vorgesehen hat, werden die Vorgaben von Swisscanto zur neuen regulatorischen Pflicht für Unternehmen in ganz Kontinentaleuropa, einschliesslich der Schweiz.
Swisscanto Regelung ist strenger als das Schweizer Recht
Das Schweizer Obligationenrecht (OR) sieht in Artikel 730a vor, dass die leitende Revisorin, der leitende Revisor bei Unternehmen von öffentlichem Interesse spätestens nach sieben Jahren wechseln muss. Diese Vorschrift soll verhindern, dass keine zu engen Beziehungen zwischen den involvierten Personen und dem zu prüfenden Unternehmen entstehen.
Doch nicht nur die Rotation der verantwortlichen Person ist entscheidend. Um die Unabhängigkeit und Objektivität der Prüfungen noch besser zu wahren, ist aus unserer Sicht ebenso wichtig, dass eine Rotation nach spätestens zehn Jahren für das gesamten Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen gilt. Denn während der Personen-Wechsel einen „frischen Blick“ innerhalb derselben Prüfungsgesellschaft gewährleisten soll, kann aus unserer Sicht nur eine vollständige Rotation des Wirtschaftsprüfers potenziellen Interessenkonflikten und einer „Betriebsblindheit“ effektiv vorbeugen. Die Kombination dieser beiden Rotationsvorgaben – der Wechsel der für die Revision verantwortlichen Person nach sieben Jahren und ein Wechsel der Prüfungsgesellschaft nach zehn Jahren, – soll für einen ganzheitlichen Ansatz zur Sicherstellung der Prüfungsqualität sorgen.
Warum ist eine Rotation des Wirtschaftsprüfers so wichtig?
Die Rotation der Wirtschaftsprüfer ist ein wesentlicher Faktor, um die Unabhängigkeit der Revision weiter zu festigen. Dies gilt nicht nur für die Finanzberichterstattung, sondern zunehmend auch für die nicht-finanzielle Berichterstattung (NFR). Auch letztere ist neu ein Kernthema an Generalversammlungen. Mit dem erhöhten Fokus auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) erwarten Stimmrechtsberater und Investoren wie Swisscanto einen geprüften Nachhaltigkeitsbericht, der den gleichen Qualitätsstandards unterliegt wie der Finanzabschluss.
Insbesondere die Berichterstattungspflichten auf EU-Ebene aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bei nicht-finanziellen Berichten steht derzeit im Fokus. Diese soll die Glaubwürdigkeit von Angaben zu Umweltrisiken, sozialen Belangen und Governance-Themen sicherstellen. Aus diesem Grund ist Swisscanto der Ansicht, dass Unternehmen einen extern geprüften Bericht vorlegen und dass über diesen Bericht an den Generalversammlungen bindend abgestimmt werden soll. Damit soll sichergestellt werden, dass auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit der erforderlichen Sorgfalt und Unabhängigkeit erfolgt.
Gerade hier zeigt sich die Relevanz der Rotation bei Wirtschaftsprüfern: Eine zu lange Beziehung zwischen Unternehmen und Prüfern kann die kritische Distanz beeinträchtigen – sowohl bei finanziellen als auch bei nicht-finanziellen Revisionen. Die regelmässige Rotation der Revisionsfirma soll sicherstellen, dass auch bei der Überprüfung von Nachhaltigkeitsberichten neue Perspektiven eingebracht und Routinen vermieden werden.
Weshalb ist das Thema Wirtschaftsprüfer-Rotation brisant?
Die neuen Anforderungen sollen die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer stärken und die Qualität der Abschlussprüfungen verbessern. Unternehmen, die ihre Wirtschaftsprüfer über Jahrzehnte hinweg beauftragt haben, geraten dadurch unter Druck. So hat beispielsweise die Firma dormakaba Holding AG mit PricewaterhouseCoopers seit über 100 Jahren denselben Auditor. In unseren Engagement-Gesprächen hat uns das Unternehmen zugesichert, ihren Wirtschaftsprüfer zu wechseln. Wir werden an der kommenden Generalversammlung genau hinschauen. Daneben stechen in der Schweiz viele führende Unternehmen wie Geberit, Swatch Group, Roche und Partners Group mit langen Mandatsdauern bei ihren Wirtschaftsprüfern hervor.
Bemerkenswert ist, dass sich auf der Liste von grösseren Unternehmen mit langjährigen Abschlussprüfern keine deutschen Unternehmen finden. Im Nachgang des Wirecard-Skandals wurde die betreffende Regelung in Deutschland für Unternehmen von öffentlichem Interesse bereits verschärft. Diese schreibt eine Rotation bei Wirtschaftsprüfern nach spätestens zehn Jahren vor. Deutschland erfüllt damit nicht nur die Vorgaben der EU-Verordnung Nr. 537/2014, sondern nimmt diesbezüglich europaweit eine Vorreiterrolle ein.
ISS und Swisscanto: Ein starkes Signal an die Unternehmensführung
Die Einführung einer Rotation bei Wirtschaftsprüfern, wie sie Swisscanto schon länger anwendet, ist ein klares Signal an Unternehmensführungen, den Themen Prüferunabhängigkeit und Berichterstattungstransparenz mehr Beachtung zu schenken. ISS hat angekündigt, ab Februar 2026 gegen die Wiederwahl von Wirtschaftsprüfern zu stimmen, die länger als zehn Jahre tätig sind (bzw. in Anlehnung an die EU-Verordnung Nr. 537/2014, wenn das Unternehmen das Mandat nach dieser Dauer nicht öffentlich ausgeschrieben hat). Sowohl finanzielle Abschlüsse als auch Nachhaltigkeitsberichte sollen durch unabhängige Prüfer mit frischem Blick und ohne Interessenkonflikte beurteilt werden.
Konsequenzen für die kommenden Generalversammlungen 2025/6
Auch wenn die neue ISS-Policy erst 2026 in Kraft tritt, könnten die diesjährigen Generalversammlungen bereits erste Signale einer veränderten Aktionärserwartung liefern.
Unternehmen, die proaktiv handeln, indem sie rechtzeitig neue Revisionsfirmen beauftragen und geprüfte Nachhaltigkeitsberichte als bindende GV-Traktanden vorlegen, könnten bei Investoren Vertrauen und Zustimmung gewinnen. Im Gegensatz dazu dürften Unternehmen, die ihre Prüfermandate nicht rechtzeitig überarbeitet haben, in absehbarer Zeit mit Ablehnungsempfehlungen von ISS konfrontiert sein.
Besonders betroffen sind Unternehmen mit langjährigen Prüferbeziehungen, die bislang keinen öffentlichen Ausschreibungsprozess eingeleitet haben. In der Praxis könnte dies dazu führen, dass Abstimmungen über die Wiederwahl der Revisionsfirmen nicht die erforderliche Zustimmung erhalten. Für Verwaltungsräte bedeutet dies, dass sie sich proaktiv mit der Rotation bei Wirtschaftsprüfern auseinandersetzen müssen, um negative Überraschungen zu vermeiden.
Auch im Bereich der nicht-finanziellen Berichterstattung erhöht sich der Druck: Swisscanto fordert geprüfte Nachhaltigkeitsberichte und bindende Abstimmungen darüber. Unternehmen, die hier nicht vorbereitet sind, laufen Gefahr, das Vertrauen von Aktionären oder Stimmrechtsberatern zu verlieren.
Fazit
Die sich ab Februar 2026 an die bestehende Swisscanto-Regelung angleichende ISS-Regelung stellt aus unserer Sicht einen Meilenstein in der Stärkung der Corporate Governance dar. Unternehmen mit langjähriger Mandatierung derselben Prüfgesellschaften sollten die Rotation nicht länger aufschieben – weder bei der Finanzberichterstattung noch bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die zukünftig ebenfalls betroffen sein wird.
Gerade im Bereich der nicht-finanziellen Berichterstattung, die zunehmend wichtiger wird, ist die weitere Stärkung der Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer von zentraler Bedeutung. Der geforderte geprüfte Nachhaltigkeitsbericht mit bindender Abstimmung an der Generalversammlung ist – obwohl hierzulande keine aufsichtsrechtliche Vorgabe – ein klares Signal: In der Prüfung der Unternehmen sollten ESG-Schlüsselkennzahlen und -Themen genauso einfliessen wie ihre Finanzabschlüsse.
Wer jetzt handelt, stärkt seine Glaubwürdigkeit auf den Kapitalmärkten und erfüllt die Erwartungen von Investoren und der Öffentlichkeit.