Zinssensitivität II/V: Entwicklungsszenarien für Gold
Im Markt wird oft die Ansicht vertreten, dass Zinserhöhungen die Preise für Gold belasten. Doch der Blick auf vergangene Zinserhöhungszyklen widerspricht dieser allgemeinen Sichtweite. Teil II unserer fünfteiligen Serie zur Zinssensitivität verschiedener Assetklassen.
Text: Cyrill Staubli
Ende des vergangenen Jahres haben unter anderem die Bank of England oder die Norges Bank begonnen, die Leitzinsen anzuheben. Im laufenden Jahr wird bekanntlich auch das US-Fed – infolge positiver Arbeitsmarkdaten und erhöhter Inflationszahlen – einen Zinserhöhungszyklus einleiten. Was heisst das nun für den Goldpreis?
Keine einheitliche Richtung
Grundsätzlich folgen Investorinnen und Investoren der Prämisse, dass sich, ceteris paribus, höhere Zinsen in steigenden Opportunitätskosten beim Halten vom zinslosen Gold gegenüber Obligationen niederschlägt. Als Folge davon sinkt der Preis des gelben Edelmetalls. Das trat beispielsweise 1980 ein. Die damalige restriktivere Geldpolitik – bei rückläufiger Preissteigerung – führte zu sehr hohen Realrenditen, was die Nachfrage nach Staatsanleihen ankurbelte und das zinslose Edelmetall abstürzen liess.
Im Kontrast dazu können Zinserhöhungen Rezessionsängste entfachen. Diese wiederum bergen das Potenzial, die Nachfrage nach Gold zu heben und somit auch dessen Preis. Beobachten liess sich dieser Zusammenhang im Zinserhöhungszyklus von 2004 bis 2006. Damals schwächte sich das US-Wirtschaftswachstum ab und löste in der Folge Rezessionsängste aus. Entsprechend stark entwickelte sich Gold als Safe Haven in diesem Zeitraum.
Wie Zinserhöhungen den Goldpreis beeinflussen
Start Zinserhöhungszyklus | Performance Gold nach 260 Tagen (USD) |
---|---|
Dez 1976 |
20.8% |
Sep 1980 |
-34.5% |
Mai 1983 |
-12.6% |
Dez 1986 |
23.0% |
Apr 1987 |
0.3% |
Feb 1994 |
-2.7% |
Jun 1999 |
11.5% |
Jun 2004 |
10.9% |
Dez 2016 |
9.9% |
Quelle: Bloomberg; eigene Berechnungen
Wir haben im Zeitraum von 1976 bis 2021 insgesamt neun US-Zinserhöhungszyklen (siehe rote Kreise) identifiziert. Grafik 1 zeigt den jeweiligen Start dieser Phasen (erste Zinserhöhung) und wie sich die Goldpreise entwickelten.
Grafik 1: Neun Zinserhöhungszyklen seit 1976
Auf Grafik 2 ist die Performance von Gold jeweils bis 100 Tage vor der ersten Zinserhöhung und bis 260 Tage nach der ersten Zinserhöhung zu sehen.
Grafik 2: Goldpreisentwicklung vor und nach Zinserhöhungen
Erkenntnisse für Investor:innen
Aus der Analyse der Grafiken lassen sich diverse Erkenntnisse ableiten (nicht abschliessend):
- Im Durchschnitt ist der Preis von Gold im ersten Jahr nach dem Start eines Zinserhöhungs-Zyklus gestiegen.
- Die Dispersion ist hoch. Die drei «erfolgreichsten» Zyklen zeigen eine durchschnittliche Performance von fast 20% nach dem ersten Jahr. Bei den drei «schwächsten» Zyklen betrug die Performance -5%.
- Die Monate vor der ersten Zinserhöhung waren in den meisten Fällen positiv für Gold.
- Eine sehr starke Goldperformance in den Monaten vor dem Zyklus-Start konnte anschliessend nicht aufrechterhalten werden.
Gold handelt nun bereits seit einem Jahr in einer engen Bandbreite um die 1800-Dollarmarke. Es wird sich zeigen, welche Kräfte im bevorstehenden Zinszyklus überwiegen werden: Das Bestehen der negativen Korrelation zwischen den Realrenditen und dem Goldpreis oder Ängste um eine mögliche Wirtschaftsabschwächung.