Dekarbonisierung bis 2050 – Parforceleistung nötig
Maximal 465 Gigatonnen Treibhausgase darf die Weltwirtschaft bis 2050 emittieren. Prognosen zufolge hat das Klima dann eine 50-prozentige Chance, sich um «nur» 1,5 Grad zu erwärmen. Allerdings: Rund die Hälfte des Budgets ist bereits aufgebraucht.
Mögliche Konsequenzen einer fortschreitenden Klimaerwärmung lassen sich anhand des sogenannten Albedo-Effekts aufzeigen. Albedo ist ein Mass für das Reflexionsvermögen eines Körpers. Schnee und Eis haben ein hohes Reflexionsvermögen. Steigt nun die globale Temperatur, schmelzen Eis und Schnee. Es wir weniger Sonnenlicht reflektiert und stattdessen von der Erde absorbiert. Dies führt zu einer weiteren Erwärmung und zu noch mehr Eis- und Schneeschmelze – ein sich selbst verstärkender Zyklus. Solche Teufelskreise gilt es rechtzeitig zu durchbrechen. Misslingt dies und erreicht die Temperatur bestimmte Kipppunkte, droht beispielsweise der grönländische Eisschild irreversibel abzuschmelzen, was zu einem deutlich höheren globalen Meeresspiegel führen würde.
Ein Präventions-Versuch ist das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, dass eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius, auf jeden Fall aber deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vorsieht. Die Einhaltung dieser Grenzen erhöht die Chancen, dass Kipppunkte nicht erreicht werden.
Was ist CO2e?
CO2-Äquivalent (CO2e) ist eine Masseinheit zur Vereinheitlichung der Wirkungen diverser Gase auf den Treibhauseffekt und somit auf die Klimaerwärmung. Die bekanntesten Treibhausgase sind CO2, Methan und Lachgas. Die Treibhaus-Wirkung von Methan ist rund 25mal stärker als diejenige von CO2. Gleichzeitig ist die Menge an Methan in der Atmosphäre geringer.
Laut dem Weltklimarat der Vereinten Nationen werden die Temperaturen mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit maximal um 1,5 Grad Celsius steigen, sofern sich die Emissionen von Treibhausgasen ab dem Jahr 2019 insgesamt auf weniger als 465 Gigatonnen CO2e bis 2050 beschränken. Damit der Temperarturanstieg mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden kann, steht ein Treibhausgasbudget von maximal 1090 Gigatonnen zur Verfügung.
Mix aus Massnahmen
Dazu benötigt es ein Mix aus nachhaltigerem Konsum, Energieeinsparmassnahmen, sauberer Energieproduktion und dem Schutz sowie der Erhaltung natürlicher CO2e-Speicher. Dies kann durch die Implementierung von energieeffizienten Technologien in Industrie, Verkehr und Gebäuden erfolgen. Es braucht auch Förderungen für erneuerbare Energien sowie den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen wie Wälder und Ozeanen. Letztere sind natürliche Kohlenstoffsenker. Darüber hinaus spielt die Entwicklung und Implementierung von Techniken zur Dekarbonisierung, beispielsweise CO2e-Abscheidung und -speicherung (CCUS), eine Rolle beim Aufbau zusätzlicher CO2e-Speicher.
Billionenschwere Investitionen nötig
Der Umstieg auf saubere Energiequellen und emissionsarme Technologien erfordert enorme Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in die Infrastruktur. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels jährlich USD 4,5 Billionen in erneuerbare Energien investiert werden müssen. Das ist mehr als das Doppelte der rund USD 1,8 Billionen, die bis 2023 investiert werden. Demgegenüber stehen laut Internationalem Währungsfonds Subventionen in Höhe von USD 7 Billionen (7,1% des globalen BIP) für fossile Energien.
Kurzfristigen Investitionskosten steht ein langfristiger Nutzen gegenüber. Dies ist in Demokratien politisch nicht immer leicht zu vermitteln. Zudem ist die internationale Zusammenarbeit komplex und langwierig. Kein Land möchte sich durch Verpflichtungen internationale Nachteile einhandeln.
Deutlich abseits des Budgetplans
Auf dieser Grundlage verwundert es nicht, dass die globalen Treibausgasemissionen nach dem Pariser Klimaschutzübereinkommen im Jahr 2015 stetig zugenommen haben, abgesehen vom COVID-Lockdown-Jahr 2020:
2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Industrieländer | 16,8 | 16,7 | 16,7 | 16,9 | 16,6 | 15,5 | 16,3 | 16,3 |
Schwellenländer | 32,0 | 32,3 | 33,1 | 34,1 | 34,5 | 34,1 | 35,7 | 36,3 |
Total | 48,9 | 49,0 | 49,8 | 51,0 | 51,2 | 49,6 | 52,0 | 52,6 |
CO2e-Ausstoss in Gigatonnen (Quelle: Emissions Database for Global Atmospheric Research (EDGAR))
Im Jahr 2022 wurde mit 52,6 Gigatonnen ein neuer Rekordwert erreicht und für das vergangene Jahr ist ein mindestens ebenso hoher Wert zu erwarten. Damit haben wir in nur vier Jahren bereits rund 45 Prozent der 465 Gigatonnen verbraucht, die uns bis 2050 für das 1,5-Grad-Ziel zur Verfügung stehen. Die Welt setzt viel Hoffnung darauf, dass wir in den nächsten 26 Jahren mit nur 55 Prozent des verbleibenden Budgets auskommen.
Schwellenländer zählen, aber nicht explizit
Gerade in Schwellenländern dauert die Dekarbonisierung aufgrund des technologischen Rückstands und der verfügbaren finanziellen Mittel länger. Gleichzeitig wachsen sie zum Teil deutlich stärker als die Industrieländer. Ihr Energiebedarf steigt und muss auch mit fossilen Energieträgern gedeckt werden. Dadurch steigen die CO2e-Emissionen in den Schwellenländern.
Die steigenden CO2e-Raten in den Schwellenländern hängen indes mit dem Konsum in den Industriestaaten zusammen. Unternehmen in Industrieländern übertragen die Produktion an Dritte in Schwellenländern oder verlagern ihre Produktionsstätten dorthin. In Schwellenländern werden Güter in der Regel billiger und mit weniger Regulation oder Abgaben hinsichtlich des CO2e-Ausstosses produziert. Der Transport zurück in die Industrieländer belastet zusätzlich. Aus einer Produktionssicht stammen rund zwei Drittel der globalen Emissionen aus Schwellenländern. Die Emissionen steigen dort weiter an, während sie in Industrieländern leicht sinken. Der grösste Teil dieser Emissionen ist aber auf den Konsum in Industrieländern zurückzuführen. Im Jahr 2021 verursachte er 84 Prozent des globalen CO2e-Austosses mit einer im Verhältnis zu Schwellenländern deutlich geringeren Bevölkerungszahl (1,4 vs. 6,5 Milliarden Menschen). Auch die Schweiz ist hier kein Musterknabe. Hierzulande wurden im Jahr 2021 45,2 Millionen Tonnen CO2e emittiert. Dies entspricht einem Treibhausgasausstoss pro Kopf von moderaten fünf Tonnen CO2e. Addiert man aber die durch Importgüter im Ausland verursachten Emissionen hinzu, betragen die Pro-Kopf-Emissionen ca. zwölf Tonnen CO2e. Damit liegt der Treibhausgas-Fussabdruck der Schweiz deutlich über dem weltweiten Pro-Kopf-Durchschnitt von ca. sechs Tonnen CO2e.
Parforceleistung gefordert
Das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens bleibt eine enorme Herausforderung, aber es ist noch nicht komplett ausser Reichweite. Dazu sind jedoch drastische Massnahmen erforderlich, um die Treibhausgasemissionen schnell und deutlich zu reduzieren. Es braucht eine beispiellose Koordination der Zusammenarbeit und Anstrengungen auf individueller, unternehmerischer, staatlicher und internationaler Ebene.
Um das volle Potenzial von Mega-Projekten wie riesigen Solarparks mit Wasserstoffanlagen, Speichern und Pipelines auszuschöpfen, ist es entscheidend, investorenfreundliche Bedingungen zu schaffen. Stabile politische Verhältnisse, Transparenz und vorhersehbare politische Entscheidungen ziehen Investitionen an. Zudem können Massnahmen wie die Sicherung der Rechtssicherheit sowie die Bereitstellung von Investitionsanreizen und Garantien dazu beitragen, Inflationsrisiken und Währungsschwankungen zu mindern.