Euphorie um KI erfordert nun einen nüchternen Blick

Künstliche Intelligenz (KI) treibt den Aktienkurs von Nvidia weiter an. Auch andere Technologie­unternehmen profitieren vom KI-Rückenwind – ihre Reichweite wird aber stark variieren.

Autor: Aryestis Vlahakis

Die Leistungsfähigkeit von Prozessoren bemisst sich primär an deren Design (Quelle: istockphoto.com).

Künstliche Intelligenz (KI) sorgt beim Chiphersteller Nvidia weiterhin für starkes Wachstum. Mit USD 61 Mrd. lag der Umsatz im gerade beendeten Geschäftsjahr doppelt so hoch wie im Vorjahr. Der Aktienkurs von Nvidia ist seit Januar um fast 60 Prozent gestiegen, nachdem er sich im Jahr 2023 verdreifacht hatte. Zahlreiche andere Unternehmen bemühen sich, den Rückenwind des KI-Narrativs zu nutzen, mit unterschiedlichem Erfolg.

Welche faktischen Veränderungen sind 2023 im Bereich der KI sichtbar?

Abgesehen von Nvidia haben bisher nur wenige Unternehmen konkrete KI-bezogene Umsätze vorgelegt:

  • Microsofts KI-bezogene Umsätze können für die zweite Hälfte des Jahres 2023 auf USD 244 Millionen geschätzt werden.
  • Cadence und Synopsys sind einzigartige Anbieter von Halbleiterdesign-Tools, die für das KI-Mikrochipdesign unerlässlich sind. Ihr Umsatzwachstum hat sich über die Jahre beschleunigt und lag im vergangenen Geschäftsjahr bei insgesamt USD 1,3 Milliarden. Das schnellere Umsatzwachstum ist das Ergebnis einer verstärkten Designaktivität für KI-Mikrochips und von KI-Verbesserungen, die beide Unternehmen in ihren eigenen Produkten integriert haben.

Mehrere andere Unternehmen haben KI-basierte Produkte angekündigt. Die meisten haben damit aber noch keine nennenswerten Umsätze erzielt. In den meisten Fällen spiegeln die Aktienkurse schlicht die Erwartungen, was KI in Zukunft bringen könnte.

Wie sieht die KI-Lieferkette aus?

Wir können eine entstehende KI-Lieferkette erkennen, die bei den Grafikprozessoren von Nvidia und den dazugehörigen Software-Tools beginnt. Sie setzt sich dann bei den Cloud-Anbietern fort, die den Entwicklern von KI-Software und ihren End­nutzern On-Demand-Rechenkapazitäten zur Verfügung stellen. Grössere Unterneh­men wie Microsoft oder Google sind in gewisser Weise vertikal integriert, da sie sowohl die Rechenkapazität besitzen als auch ihre eigene KI-Software entwickeln. Dieses entstehende Ökosystem wird von den allgegenwärtigen IT-Beratern wie Accenture unterstützt. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden nur bestimmte Teile der KI-Lieferkette in der Lage sein, nachhaltige zusätzliche Gewinne aus der KI zu erzielen.

Als Investoren stellen wir uns folgende Fragen:

  1. Wie weit wird sich die KI durchsetzen?
  2. Wie werden Technologieanbieter die Produktivität, die KI in allen Wirtschafts­sektoren schafft, gewinnbringend verwerten?
  3. Wird KI die Wettbewerbsdynamik verändern oder die etablierten Unternehmen stärken?
  • Zu 1: Ende 2023 zeigten Umfragen, dass die Mehrheit der IT-Führungskräfte zwar genau beobachtet, wie KI ihren Unternehmen helfen könnte. Gleichzeitig werden aber noch keine bedeutenden neuen Mittel für KI-Produkte budgetiert. Auf Konsumentinnen und Konsumenten abgestimmte Produkte wie ChatGPT von OpenAI oder Gemini von Google (ehemals Bard) verzeichneten anfangs eine starke Nachfrage, die später abflaute. Einnahmen, die sie damit erzielen, lassen sich derzeit nicht beziffern. In den kommenden zwölf Monaten werden viele interessante und umsatzfördernde KI-Produkte lanciert. Wahrscheinlich bezwe­cken Anbieter damit, den möglichen Return on Investment von KI-Tools zu testen, anstatt die Umsätze von Technologieanbietern unmittelbar zu maximieren.
  • Zu 2: Im Falle einer weit verbreiteten Einführung von KI ist es möglich, dass im Grunde alle Softwareunternehmen KI-Funktionen anbieten müssen. Dass damit aber signifikante und margensteigernde Einnahmen zufliessen, ist nicht per se gegeben. Ein Beispiel aus früherer Zeit: Als Textverarbeitungssoftware wie Microsoft Word auf den Markt kam, waren Funktionen wie das Drucken nur durch den Kauf zusätzlicher Softwaremodule möglich. Im Laufe der Zeit wurden solche Funktionen in die Kerntextverarbeitungssoftware integriert. Es ist anzunehmen, dass die künstliche Intelligenz einen ähnlichen Weg einschlagen wird, auf dem KI-gestützte Funktionen in grössere Softwareprodukte integriert werden. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass alle verbrauchernahen Softwareunternehmen KI-Funktionen anbieten müssen, nur um mit den Wettbewerbern mithalten zu können. Es wird wenig Spielraum für die Erhebung zusätzlicher Einnahmen oder zumindest für gewinnbringende zusätzliche Einnahmen geben.
  • Zu 3: Technologie und Disruption gehen oft Hand in Hand, aber Innovationen können auch etablierte Unternehmen stärken. Viele der KI-Durchbrüche wurden von Start-ups wie Deep Mind und OpenAI vorangetrieben, allerdings in Partnerschaft mit Technologiegiganten: Deep Mind wurde 2014 von Google übernommen und OpenAI begann 2019 eine Partnerschaft mit Microsoft. Die Investitionsausgaben von Microsoft beliefen sich im Jahr 2023 auf USD 38 Mrd., während Google USD 32 Mrd. ausgab. Diese Summen reflektieren mehrjährige Investitionsbestrebungen. Damit werden vor allem Cloud-Computing-Rechen­zentren gebaut, die für die Entwicklung von KI-Modellen, die derzeit grosse Mengen an Rechenkapazität benötigen, unerlässlich sind. Es gibt nur wenige Unternehmen, die so viel in eine kommerziell noch nicht erprobte Technologie investieren können, was zum Teil erklärt, warum die KI etablierte Unternehmen bislang nicht aus dem Gleichgewicht hob.

Wie investieren wir in KI?

Wer ausschliesslich gegen KI wettet, ignoriert, dass technologische Verbesserungen durch ihre Auswirkungen auf die Produktivität die wichtigste Triebkraft des Wirtschaftswachstums sind. Wir beobachten die Entwicklung der KI und bewerten ihre Auswirkungen auf unsere Bestände. Microsoft, Nvidia und Synopsys sind drei KI-relevante Namen, die wir in unseren aktiven, ESG-integrierten Fundamental­strategien halten.

 

Rechtliche Hinweise: Die Publikationen wurden vom Buy-Side Research des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank erstellt. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden nicht im Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt und unterliegen auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.

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