Hohe Kapitalkosten bremsen «grüne» Investitionen in Schwellenländern

Schwellenländer müssen ihr Wirtschaftswachstum mit erneuerbaren Energien speisen, ansonsten rückt die Energiewende in weite Ferne. Hohe Kapitalkosten in vielen Emerging Markets schrecken Investorinnen und Investoren aber ab.

Gerhard Wagner und Philipp Mettler

Hohe Kapitalkosten als Bremsschuh. Dies ist vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern der Fall. (Bild: iStock.com)

Die Energie­wende geht Hand in Hand mit der Klima­neutralität. Um letztere zu erreichen, müsste es der globalen Gemein­schaft bis 2050 gelingen, fossile durch erneuerbare Energien zu ersetzen und emittiertes CO2 wieder zu absorbieren.    Dafür ist ein massiver Ausbau kapital­intensiver Anlagen (Wind, Photovoltaik, Wärmepumpen etc.) erforderlich. Gemäss Schätzungen der Internationalen Energie­agentur (IEA) müssten die jährlichen Investitionen von USD 1,7 Billionen im Jahr 2023 auf USD 4,5 Billionen im Jahr 2030 steigen.

Geringe Investitions­bereitschaft in Schwellen­ländern

Dieses Investitions­ziel ist nur erreich­bar, wenn der Zugang zu kosten­günstigen Finanzierungen verbessert wird, insbesondere in den Emerging Markets. Obwohl zwei Drittel der Welt­bevölkerung dort leben, machen Kapital­anlagen in saubere Energien in Schwellen- und Entwicklungs­ländern (ohne China) weniger als ein Fünftel der Gesamt­summe aus. Diese Investitions­armut bereitet Sorgen. Wenn es für diese Volks­wirtschaften keinen gangbaren Weg zu einem emissions­armen Wachstum gibt, dürfte dieses entweder CO2-intensiv oder durch Energie­mangel eingeschränkt sein. Beide Möglich­keiten sind risiko­reich und nicht wünschens­wert.

Bremsschuh Kapitalkosten

Mit das grösste aktuelle Hindernis für Investitionen in saubere Energien in Schwellen- und Entwicklungs­ländern sind die hohen Kapital­kosten. Diese drücken die erwartete finanzielle Rendite bzw. den erforderlichen Mindest­zinssatz für die Investition in ein Unternehmen oder ein Projekt aus. Die erwartete Rendite hängt eng mit dem Risiko­grad zusammen, der mit den Cash­flows einer Firma oder Projekts verbunden ist.

Hohe Kapital­kosten trüben die Rendite­aussichten, insbesondere bei kapital­intensiven Investitionen – einschliesslich erneuerbarer Energien – die hohe Vorab­kapital­kosten erfordern, aber sehr niedrige Betriebs­ausgaben haben.

Die IEA hat die Kapital­kosten für diverse Solar­projekte in verschiedenen Regionen bzw. Ländern (Europa, USA, China, Indien) für das Jahr 2021 analysiert. Die nach­folgende Grafik zeigt, dass im Jahr 2021 die Kapital­kosten in Schwellen- und Entwicklungs­ländern (ohne China) um dreieinhalb bis elf Prozent­punkte höher waren im Vergleich zu den Industrie­nationen.

Kapitalkosten (2021) für Solarprojekte in Industrie- vs. Schwellen- und Entwicklungsländer (ex China)

Quelle: IEA, WEO 2022

Das hat auch Implikationen auf die Strom­gestehungs­kosten. Es gilt die Faustregel, dass sich die Strom­gestehungs­kosten (Levelized Cost of Energy) um 50 Prozent erhöhen, wenn die Kapital­kosten um fünf Prozent­punkte steigen.

Kapital­kosten machen natürlichen Vorteil zunichte

Der Einfluss der Kapital­kosten-Höhe zeigt sich deutlich im Vergleich zwischen Zürich und Namibias Hauptstadt Windhoek. Namibia zählt zu den sonnen­reichsten Ländern der Welt. Im Vergleich zu Zürich lassen sich dort 65 Prozent mehr Strom pro Solar­modul erzeugen. Während der Energie­ertrag pro Jahr in Zürich gemäss dem globalen Solaratlas bei 1'184 Kilowatt-Stunden (KWh) pro Kilowatt-Peak (KWp) liegt, beträgt er in Windhoek 1'982 KWh pro KWp.

Namibias natürlicher Vorteil als Solar­produktions­standort gegenüber Ländern wie der Schweiz trübt sich aber deutlich ein, wenn die Kapital­kosten in Namibia sechs bis sieben Prozent­punkte höher sind als in der Eid­genossen­schaft. In diesem Fall wären die Strom­gestehungs­kosten Namibias vergleich­bar mit jenen in der Schweiz. Ergo: Sonnen­reiche Länder haben bei den Strom­gestehungs­kosten für Solar­strom nur dann einen Kosten- und damit Wett­bewerbs­vorteil, wenn auch die Kapital­kosten auf einem vergleich­baren Niveau sind. Dies ist gegen­wärtig in vielen Fällen nicht gegeben.

Gründe für die höheren Kapital­kosten und mögliche Senkungs­optionen

In vielen Emerging Markets fürchten Investo­rinnen und Investoren, dass Strom­abnehmer – das sind oftmals Strom­versorgungs­unternehmen – ihre Strom­rechnungen nicht oder unregel­mässig bezahlen könnten. Sie sind oft über­schuldet und es ist nicht klar, ob sie langfristig überlebens­fähig sind.

Eine mögliche Senkung­soption könnte sein, dass Regierungen von Schwellen- und Entwicklungs­ländern, internationale Organisationen oder Regierungen von Industrie­staaten garantieren, dass der erzeugte Strom auch abgenommen und bezahlt wird, sollten Zahlungs­ausfälle eintreten. Sie würden dann als Versicherung fungieren und potentielle Kapital­geber ermutigen, in erneuerbare Energie­projekte zu investieren.

Tiefere Kapital­kosten würden, wie erwähnt, die Strom­gestehungs­kosten senken und der Strom könnte billiger angeboten werden. Breitere Bevölkerungs­schichten bekämen somit Zugang zu bezahl­barer Elektrizität. Dies wäre insbesondere in der Subsahara-Region hilfreich, wo 600 Millionen Menschen oder ca. 40 Prozent der afrikanischen Bevölkerung keinen Strom­anschluss haben.

Fallbeispiel eines Investors vor Ort

Die Anzahl Unternehmen, welche in Schwellen- und Entwicklungs­ländern (ex China) in erneuerbare Energie­träger investieren, ist sehr überschaubar. Eine Firma, die wir uns anschauen, ist die norwegische Scatec.

Das Unternehmen betreibt Solar-, Wind- und Wasser­kraftwerke auf vier Kontinenten und baut unter anderem ein sehr grosses Solar­kraftwerk einschliesslich Speicher­lösungen in Süd­afrika. Das Unternehmen versucht, über Langzeit­verträge mit zuverlässigen Kunden die Risiken zu minimieren, was sich positv auf die Kapital­kosten auswirkt. Scatec kann somit einen Beitrag leisten, dass das Wachstum in den Schwellen­ländern weniger CO2 intensiv wird.

 

Rechtliche Hinweise: Die Publikationen wurden vom Buy-Side Research des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank erstellt. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden nicht im Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt und unterliegen auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.

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