Tschüss TINA, ich bin die Neue: TARA

TINA - There Is No Alternative - wird verabschiedet. TINA war in den letzten Jahren eine verlässliche Partnerin und hat die Aktienmärkte stets unterstützt. Investoren:innen konnten den Markt mit "Buy-the-Dip"- immer wieder in die Höhe treiben. Anleihen waren wegen Nullzinsen und schwachen Ertragsperspektiven unattraktiv. Nach dem kräftigen Zinsanstieg in 2022 eröffnen sich nun Alternativen. TINA muss gehen. Die Neue heisst TARA - There Are Reasonable Alternatives. Bietet TARA eine verlässliche Perspektive?

Text: Phil Gschwend

Da TINA nun vorerst Geschichte ist, schauen sich Investor:innen wieder um und entdecken TARA.

TINA: „There Is No Alternative“. Dieser Begriff wurde von Anleger:innen im Tiefzinsumfeld verwendet, um eine nicht optimale Portfolioallokation mit einem zu hohen Gewicht in Aktien zu rechtfertigen. Die Ertragsaussichten von Obligationen waren sehr tief und im Fall der Schweiz sogar negativ. So blieb oft keine andere Wahl, als das Risiko zu erhöhen und eine höhere strategische Aktienquote zu fahren. Die Folge war „TINA “: Aktien wurden trotz hoher Bewertungen weiter gekauft, weil Anleger:innen schlicht keine angemessene Alternative hatten. Das hat sich geändert. Jetzt kommt TARA.

Verschuldung hat wieder einen Preis

Eine zweijährige US-Staatsanleihe rentiert aktuell bei 4,5% und die US-Leitzinsen werden ihren Höhepunkt – gemäss aktueller Markteinschätzung - im zweiten Quartal 2023 bei 4,75% erreichen. In der Schweiz hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im September 2022 das Ende der Negativzinsen eingeläutet, weitere Zinserhöhungen werden folgen. Verschuldung hat wieder einen Preis.

Das betrifft auch Aktien

Verschiedene Aktienbewertungsmodelle evaluieren, ob die Überrenditen von Aktien im Vergleich zu den risikofreien Zinsen bei den jeweiligem Volatilitätsniveaus ausreichend sind. Was wir erleben mussten: Die Volatilität von Aktien blieb im Vergleich zu Obligationen auf tiefen Levels, wie in folgender Grafik zu erkennen ist.

Aktienvolatilität weitgehend im Normalbereich, Bond-Volatilität steigt stark an

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg

Nicht nur die Volatilität blieb bei Aktien moderat - auch die veröffentlichten Gewinne der Unternehmen sind bisher gut. Doch die negativen Ertragsrevisionen nehmen zu; das führt auch bei Aktien - nicht mehr nur in Einzelfällen - zu höherer Volatilität.

Globale Aktien jetzt mit attraktiver Bewertung?

Wir schauen dabei nach dem Leitmarkt, den USA. Dort hat die Risikoprämie von Aktien im Vergleich zu Bonds noch kein attraktives Niveau erreicht. Wie messen wir das? Die-US-Gewinnrendite (1/Kurs-Gewinn-Verhältnis des US-Aktienmarkts) sieht im Vergleich zur Rendite von 10-jährigen TIPS (inflationsgeschützten US-Anleihen) derzeit wenig attraktiv aus (blaue Linie). Der Grund dafür sind die steigenden realen Renditen (türkis). Das heisst: Die realen Ertragserwartungen von Aktien sind – im historischen Vergleich – nicht besonders attraktiv. Es lohnt sich bei einer solchen Konstellation, auch auf andere Anlageklassen zu schauen.

Steigende Renditen drücken Risikoprämie von Aktien

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg

Hallo TARA

Da TINA nun vorerst Geschichte ist, schauen sich Investor:innen nun wieder um und entdecken TARA - There Are Reasonable Alternatives. Hier zeigen wir kurz auf, welche Alternativen es nun geben könnte:

TARA – There Are Reasonable Alternatives

  1. Geldmarkt: Am kurzen Ende der Zinskurve sind die Renditen am stärksten gestiegenen. Kurzfristig findet man hier eine attraktive Möglichkeit, einen Teil des Vermögens zu parkieren. Durch die kurze Duration und der hohen Kreditqualität wird die Sensitivität zu Zinsänderungen verringert und das Ausfallrisiko reduziert. 
  2. Obligationen: Die stark gestiegenen Zinsen sorgten für historisch nie gesehene Verwerfungen am Obligationenmarkt. Auf den aktuellen Zinsniveaus folgten historisch positive Erträge wie in der folgenden Grafik ersichtlich. Nur in der TINA-Ära und in den 1970er wurden negative Realrenditen über die nächsten fünf Jahre erzielt.
  3. Immobilien: Die Bewertungsdifferenz zwischen Immobilienaktien- und Fonds ist deutlich geschrumpft. Nun sind auch die Fonds, gemessen am Verhältnis der Zinsen (10J Eidgenossenrendite) und Agio (marktgewichtet bei 6,8% per 24.10.2022), sehr günstig und bieten attraktive Einstiegschancen. 

Ø Realrendite p.a. über die nächsten fünf Jahre 

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg, monatliche Daten ab 1973. Regression: y=0.0081x – 0.0128. R2=0.3892

Berücksichtigt man zudem das Risiko und vergleicht Obligationen mit Aktien, spricht das Rendite-Risiko-Verhältnis auf dem aktuellen Nominalzinsniveau wieder für Obligationen (siehe nächste Grafik).

Sharpe-Ratio von Obligationen minus Aktien über die nächsten 3 Jahre für das jeweils aktuelle Nominalzinsniveau

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg. monatliche Daten ab 1973. Regression: y=0.1569x -0.1797. R2=0.2759, Lesebeispiel: Im März 2016 lag das Nominalzinsniveau von US-Staatsanleihen bei 1.31%. Über die darauffolgenden drei Jahre erzielten Aktien ein Sharpe Ratio von 1.02 und Obligationen 0.31. Aus einer Risiko-Rendite-Perspektive waren Aktien in dieser TINA-Ära attraktiver als Obligationen.

Fazit

Die Finanzmärkte liefern dieses Jahr Historisches. Mit extrem schmerzhaften Einbussen und Volatilität bei festverzinslichen Werten. Dieser Schnellwaschgang schafft eine neue Ausgangsbasis, weil die Renditeerwartungen für die verschiedenen Anlageklassen neu justiert werden. Fakt ist: Die TINA-Ära ist vorbei, und es gibt wieder gute Alternativen zu Aktien. Anlageklassen, die noch vor ein paar Monaten als unattraktiv galten, werden neu eingeschätzt. TARA hat nun ihren Auftritt.