Zinsen runter, Stimmung rauf
Die Börsenweisheit «Sell in May and go away …» hat sich bisher nicht realisiert. Für gute Laune sorgen unter anderem Hoffnungen auf Zinssenkungen. Wir bleiben zwar konstruktiv für Aktien, namentlich für Schweizer Large Caps, haben dabei aber unsere Sentiment- und Positioning-Indikatoren fest im Blick.
Text: Stefano Zoffoli
Obwohl die Saisonalität für die Aktienmärkte aktuell eigentlich eher schwach ist, haben sie im Mai kräftig zugelegt und die Verluste vom April wieder wettgemacht. Einerseits haben etwas tiefere Inflationszahlen die Hoffnungen auf Zinssenkungen wieder aufflammen lassen, andererseits haben die Unternehmen einmal mehr geliefert und gute Gewinnzahlen vorgelegt (Gewinnerwartungen wurden um rund 8% übertroffen). Der absolute Börsenliebling Nivida konnte die extrem hohen Erwartungen sogar nochmals überbieten. Die Unternehmen sind also weiterhin solide aufgestellt.
Zinsen tendieren gen Süden
In den nächsten Monaten erwarten wir aber leicht schwächere Wirtschaftsdaten (Zeichen mehren sich am US-Arbeitsmarkt) und tiefere Inflationszahlen (nach den Güterpreisen rechnen wir auch mit einer Abnahme der Dienstleistungspreise). Die Zinsen dürften also global sinken, was für weiteren Rückenwind an den Finanzmärkten sorgen sollte. Bereits im Juni werden wohl die Bank of Canada und die EZB ihren Zinssenkungszyklus einläuten.
In diesem Umfeld sind die Chancen intakt, dass sich sowohl Obligationen als auch Aktien weiterhin gut entwickeln. Deshalb bleiben wir trotz der beachtlichen Gewinne im laufenden Jahr konstruktiv für traditionelle Anlagen und behalten ein leichtes Aktien-Übergewicht. Dabei richten wir den Blick auf unsere Sentiment- und Positioning-Indikatoren. Beide sind auf dem Weg hin zu einem Verkaufssignal. Angesichts des starken Momentums scheinen weitere Kursgewinne derzeit aber wahrscheinlich.
Wie schätzen wir die Finanzmärkte aktuell ein und wie sind wir positioniert?
- Der Schweizer Aktienmarkt hat sich über ein Jahr um 16% schlechter entwickelt als der Weltmarkt. Nestlé und Roche sind zwar nach wie vor in einem Abwärtsstrudel gefangen.
- Nun scheint sich das Blatt zu wenden und das relative Gewinnmomentum nimmt zu. Der Schweizer Aktienmarkt hat denn auch im Mai outperformt (6% vs. 2% Europa).
- Aufgrund der schwachen Performance ist die Bewertung vergleichsweise moderat und das Dividendenwachstum ist stark. Zudem stehen defensive Sektoren wie Health Care noch wenig im Fokus der Anlegerinnen und Anleger.
- Wir kaufen Schweizer Large Caps dazu. Weitere Opportunitäten auf globaler Sektorebene sehen wir bei Versicherungen, Energie und IT.
- Der australische Dollar hat geliefert und sich seit Februar 8% vs. CHF aufgewertet. Unser Anlage-Case ist aufgegangen.
- Der AUD profitierte auch von einer massiven Rally bei chinesischen Aktien (+30%) und Industriemetallen (+25%), doch das Momentum lässt nun nach.
- Die Wirtschaftszahlen sehen gut aus und eine baldige Zinssenkung durch Australiens Zentralbank ist nicht in Sicht. Die Staatsanleihen sind deshalb relativ gesehen weniger attraktiv.
- Nebst diesen Gewinnmitnahmen verkaufen wir in diesem Umfeld inflationsgeschützte Anleihen zugunsten von globalen nominalen Staatsanleihen mit Schwerpunkt Europa.
- Katastrophenanleihen haben eine sensationelle Phase mit 22% Return seit Anfang 2023 hinter sich. Die Spreads sind zwar weiterhin hoch, allerdings deutlich tiefer als noch im vergangenen Jahr.
- Aufgrund erhöhter Wassertemperaturen zeichnet sich ein Rekordjahr für Wirbelstürme ab. Gemäss der Datenanalyse-Plattform Artemis.bm werden rund zwölf Hurricanes (langfristiger Durchschnitt bei sechs pro Jahr) prognostiziert. Dies muss noch keinen Verlust bedeuten, das Risiko steigt aber.
- Wir nutzen deshalb die Ruhe vor dem Sturm, um einen Teil der Gewinne mitzunehmen. Wir schliessen damit auch unser Übergewicht. Strategisch bleiben Cat Bonds aber ein attraktives Investment.