Hohe Kapitalkosten bremsen «grüne» Investitionen in Schwellenländern
Schwellenländer müssen ihr Wirtschaftswachstum mit erneuerbaren Energien speisen, ansonsten rückt die Energiewende in weite Ferne. Hohe Kapitalkosten in vielen Emerging Markets schrecken Investorinnen und Investoren aber ab.
Die Energiewende geht Hand in Hand mit der Klimaneutralität. Um letztere zu erreichen, müsste es der globalen Gemeinschaft bis 2050 gelingen, fossile durch erneuerbare Energien zu ersetzen und emittiertes CO2 wieder zu absorbieren. Dafür ist ein massiver Ausbau kapitalintensiver Anlagen (Wind, Photovoltaik, Wärmepumpen etc.) erforderlich. Gemäss Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) müssten die jährlichen Investitionen von USD 1,7 Billionen im Jahr 2023 auf USD 4,5 Billionen im Jahr 2030 steigen.
Geringe Investitionsbereitschaft in Schwellenländern
Dieses Investitionsziel ist nur erreichbar, wenn der Zugang zu kostengünstigen Finanzierungen verbessert wird, insbesondere in den Emerging Markets. Obwohl zwei Drittel der Weltbevölkerung dort leben, machen Kapitalanlagen in saubere Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern (ohne China) weniger als ein Fünftel der Gesamtsumme aus. Diese Investitionsarmut bereitet Sorgen. Wenn es für diese Volkswirtschaften keinen gangbaren Weg zu einem emissionsarmen Wachstum gibt, dürfte dieses entweder CO2-intensiv oder durch Energiemangel eingeschränkt sein. Beide Möglichkeiten sind risikoreich und nicht wünschenswert.
Bremsschuh Kapitalkosten
Mit das grösste aktuelle Hindernis für Investitionen in saubere Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern sind die hohen Kapitalkosten. Diese drücken die erwartete finanzielle Rendite bzw. den erforderlichen Mindestzinssatz für die Investition in ein Unternehmen oder ein Projekt aus. Die erwartete Rendite hängt eng mit dem Risikograd zusammen, der mit den Cashflows einer Firma oder Projekts verbunden ist.
Hohe Kapitalkosten trüben die Renditeaussichten, insbesondere bei kapitalintensiven Investitionen – einschliesslich erneuerbarer Energien – die hohe Vorabkapitalkosten erfordern, aber sehr niedrige Betriebsausgaben haben.
Die IEA hat die Kapitalkosten für diverse Solarprojekte in verschiedenen Regionen bzw. Ländern (Europa, USA, China, Indien) für das Jahr 2021 analysiert. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass im Jahr 2021 die Kapitalkosten in Schwellen- und Entwicklungsländern (ohne China) um dreieinhalb bis elf Prozentpunkte höher waren im Vergleich zu den Industrienationen.
Kapitalkosten (2021) für Solarprojekte in Industrie- vs. Schwellen- und Entwicklungsländer (ex China)
Das hat auch Implikationen auf die Stromgestehungskosten. Es gilt die Faustregel, dass sich die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Energy) um 50 Prozent erhöhen, wenn die Kapitalkosten um fünf Prozentpunkte steigen.
Kapitalkosten machen natürlichen Vorteil zunichte
Der Einfluss der Kapitalkosten-Höhe zeigt sich deutlich im Vergleich zwischen Zürich und Namibias Hauptstadt Windhoek. Namibia zählt zu den sonnenreichsten Ländern der Welt. Im Vergleich zu Zürich lassen sich dort 65 Prozent mehr Strom pro Solarmodul erzeugen. Während der Energieertrag pro Jahr in Zürich gemäss dem globalen Solaratlas bei 1'184 Kilowatt-Stunden (KWh) pro Kilowatt-Peak (KWp) liegt, beträgt er in Windhoek 1'982 KWh pro KWp.
Namibias natürlicher Vorteil als Solarproduktionsstandort gegenüber Ländern wie der Schweiz trübt sich aber deutlich ein, wenn die Kapitalkosten in Namibia sechs bis sieben Prozentpunkte höher sind als in der Eidgenossenschaft. In diesem Fall wären die Stromgestehungskosten Namibias vergleichbar mit jenen in der Schweiz. Ergo: Sonnenreiche Länder haben bei den Stromgestehungskosten für Solarstrom nur dann einen Kosten- und damit Wettbewerbsvorteil, wenn auch die Kapitalkosten auf einem vergleichbaren Niveau sind. Dies ist gegenwärtig in vielen Fällen nicht gegeben.
Gründe für die höheren Kapitalkosten und mögliche Senkungsoptionen
In vielen Emerging Markets fürchten Investorinnen und Investoren, dass Stromabnehmer – das sind oftmals Stromversorgungsunternehmen – ihre Stromrechnungen nicht oder unregelmässig bezahlen könnten. Sie sind oft überschuldet und es ist nicht klar, ob sie langfristig überlebensfähig sind.
Eine mögliche Senkungsoption könnte sein, dass Regierungen von Schwellen- und Entwicklungsländern, internationale Organisationen oder Regierungen von Industriestaaten garantieren, dass der erzeugte Strom auch abgenommen und bezahlt wird, sollten Zahlungsausfälle eintreten. Sie würden dann als Versicherung fungieren und potentielle Kapitalgeber ermutigen, in erneuerbare Energieprojekte zu investieren.
Tiefere Kapitalkosten würden, wie erwähnt, die Stromgestehungskosten senken und der Strom könnte billiger angeboten werden. Breitere Bevölkerungsschichten bekämen somit Zugang zu bezahlbarer Elektrizität. Dies wäre insbesondere in der Subsahara-Region hilfreich, wo 600 Millionen Menschen oder ca. 40 Prozent der afrikanischen Bevölkerung keinen Stromanschluss haben.
Fallbeispiel eines Investors vor Ort
Die Anzahl Unternehmen, welche in Schwellen- und Entwicklungsländern (ex China) in erneuerbare Energieträger investieren, ist sehr überschaubar. Eine Firma, die wir uns anschauen, ist die norwegische Scatec.
Das Unternehmen betreibt Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke auf vier Kontinenten und baut unter anderem ein sehr grosses Solarkraftwerk einschliesslich Speicherlösungen in Südafrika. Das Unternehmen versucht, über Langzeitverträge mit zuverlässigen Kunden die Risiken zu minimieren, was sich positv auf die Kapitalkosten auswirkt. Scatec kann somit einen Beitrag leisten, dass das Wachstum in den Schwellenländern weniger CO2 intensiv wird.
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