Rohstoffmangel bedroht Energiewende

Kupfer und weitere Mineralien wie Nickel, Lithium oder Kobalt sind essentiell für die Elektrifizierung der Weltwirtschaft. Die aktuellen Kapazitäten sind aber nicht in der Lage, die künftige Nachfrage zu decken. Eine Gefahr für die Energiewende stellt auch China dar.

Autoren: Dominik Ladner, Dr. Dr. Gerhard Wagner

Die Nachfrage nach Kupfer dürfte bis 2030 auf über 32 Millionen Tonnen ansteigen. (Bild: istockphoto.com)

Kupfer ist ein zentraler Rohstoff der Energiewende. Seine hervorragende Leitfähig­keit macht es unverzichtbar für zahlreiche elektrische Anlagen. Laut Internationaler Energie Agentur (IEA) sind allein in einem Elektrofahrzeug rund 53 Kilogramm Kup-fer verbaut. Im Jahr 2022 wurden weltweit bereits zehn Millionen Elektrofahrzeuge verkauft, ein Anstieg von 60% gegenüber Vorjahr. Die steigende Nachfrage steht jedoch im Kontrast zu einer prekären Versorgungssituation: Während ein Grossteil der Staaten das Netto-Null-Ziel anstrebt, wird die entscheiden­de Rolle von Kupfer für die Erreichung dieses Ziels immer deutlicher. Ein Durchschnitt von renommierten Expertenprognosen zeigt einen starken Anstieg der Kupfernach­frage bis 2030 auf über 32'550 Kilotonnen (kt), bzw. 32,5 Millionen Tonnen Kupfer. Das würde dann einem Defizit von 3'320 Kilotonnen für das Jahr 2030 gleichkommen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Angebots- und Nachfragetrend von Kupfer in Kilotonnen (kt) (links), Über- bzw. Unterangebot an Kupfer in kt (rechts) Quelle: Swisscanto (2023), MS (2023), BofA (2023), RBC (2023), Bernstein (2023), GS (2023), DB (2023), Jeffries (2023), UBS (2023)

Gründe für die «Kupfer-Klemme»

  • Bergbauunternehmen bekunden Mühe, die Nachfrage zu befriedigen, da in der Vergangenheit zu wenig in Exploration und Förderung investiert wurde.
  • Die Industrie leidet unter sinkenden Erzgehalten (ca. 1%). Das erhöht die Förderkosten.
  • Sollten vielversprechende Vorkommen entdeckt werden, befinden sie sich oft in politisch instabilen Regionen.
  • Projekte benötigen durchschnittlich zehn bis 15 Jahre von der Entdeckung bis zur ersten Produktion.

Diese Kluft zwischen Nachfrage und Angebot, wie in Abbildung 1 dargestellt, ver­deutlicht die dringende Notwendigkeit, Bergbauinvestitionsstrategien zu fördern und Projektgenehmigungsprozesse zu beschleunigen.

Innovation, Kapazitätserhöhung und Recycling

Während einige Unternehmen dennoch neue Ressourcen erschliessen können, wie zum Beispiel die Kamoa-Kakula-Mine (DRC) von Ivanhoe Mines (5-6% Erzgehalt mit grossem Wachstum), bleiben solche Projekte rar. Als Reaktion darauf setzt die Branche zunehmend auf innovative Lösungen und die Erweiterung bestehender Bergbauoperationen. Unternehmen wie Rio Tinto erforschen Technologien wie das Auslaugen (Leaching), um Kupfer aus zuvor übersehenen sulfid-haltigen Lagerstätten mit niedrigem Grad zu gewinnen. Initiativen zur Automatisierung und Elektrifizie­rung (z.B. das schwedische Bergbauunternehmen Boliden) revolutionieren die Abläufe, senken die Arbeitskosten, verbessern die Sicherheit und helfen, die CO2e-Intensität in einem Portfolio zu reduzieren. Zusätzlich wird die Wiederverwertung immer wichtiger. In den vergangenen fünf Jahren wurden etwa 30% der Kupfernach­frage durch Recycling gedeckt. Dieser Kreislaufansatz, insbesondere in Bezug auf die Recyclingfähig­keit von Endprodukten wie Elektrofahrzeug­batterien und Solar­paneelen, mindert den Druck auf primäre Ressourcen.

Gleichwohl stellt der bevorstehende Kupfermangel eine kritische Herausforderung für den Übergang zu sauberer Energie dar. Es ist entscheidend, eine Balance zwischen sofortigen Versorgungs­bedürfnissen, langfristigen Investitionen, technologischen Innovationen und Recycling­bemühungen zu finden. Kollaborative Anstrengungen von Entscheidungs­trägern, Branchenführern und Investoren sind daher wichtig, um dieses Problem effektiv anzugehen. Die zentrale Rolle von Kupfer in der Energie­wende unterstreicht somit die Notwendigkeit für strategische Planung und globale Zusammenarbeit, sodass ein nachhaltiger und ununterbrochener Übergang zu einer grüneren Zukunft gewährleistet werden kann.

Immense Wachstumsraten bei Lithium, Kobalt und Nickel

Neben Kupfer erfordert das zeitgerechte Erreichen der Energiewende weitere Roh­stoffe, namentlich Lithium, Kobalt und Nickel. Die Nachfrage nach diesen Mineralien hat sich innerhalb von nur fünf Jahren drastisch vervielfacht und wird bis 2050 weiter stark zunehmen.

Abbildung 2: Globale Nachfrage nach kritischen Mineralien nach NZE-Szenario (indexiert 100 = 2021), Quelle: IEA (2023)

Angetrieben durch die steigende Nachfrage und die hohen Preise hat sich die Marktgrösse dieser kritischen Mineralien in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt und erreichte einen Wert von 320 Milliarden US-Dollar in 2022. Dies entspricht ungefähr dem Wert des global produzierten Eisenerzes im Jahr 2022. Infolgedessen rücken diese Mineralien nun in den Mittelpunkt der Bergbau- und Metallindustrie. Dies bringt neue Einnahmequellen für die Industrie, schafft Arbeitsplätze und trägt in einigen Fällen zur Diversifizierung der von Kohle abhängigen Volkswirtschaften bei.

Wo finden diese Metalle ihren Einsatz?

Die Verwendung der Materialien ist vielschichtig und wird in Zukunft zunehmend durch Energietechnologien (vgl. Abbildung 3) getrieben werden. So findet beispiels­weise Nickel, zusammen mit Kupfer und Aluminium, einen breiten Einsatz in Elektro­fahrzeugen, der Stromgenerierung und der Energieinfrastruktur. Lithium und Kobalt hingegen werden primär in Batterien verwendet.

Abbildung 3: Einsatz von kritischen Mineralien für die Energiewende. Quelle: Swisscanto (2023), IEA (2023)

Fundamentale Research-Kompetenz ist relevant bei diesen dynamischen Themen und Trends

In unseren aktiven, fundamentalen Aktienstrategien verfolgen wir die Entwicklungen in der Rohstoffindustrie mit besonderem Augenmerk und betrachten kritische Roh­stoffe als essentiell für die Energiewende. Dennoch muss erwähnt sein, dass Rohstoff-Aktien zyklischen Schwankungen unterliegen, die wiederum von verschiedenen Faktoren wie Angebot und Nachfrage, geopolitischen Ereignissen und makroöko­nomischen Trends beeinflusst werden. Diese Zyklen können neben dem strukturellen Wachs­tum sowohl Chancen als auch Risiken für Investoren darstellen und werden von uns sorgfältig überwacht, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. Wir erkennen derzeit attraktive Renditequellen bei relevanten Rohstoffen der Energie­wende, dabei stehen bei uns Qualitätsmerkmale (u.a. stabile Erträge, starke Bilanz, hohe Margen, tiefe Verschuldung), attraktive Firmenbewertungen, starke Kapital­renditen (ROIC) sowie ein solides ESG-Risiko-Profil im Fokus der Titelselektion. Demnach gehören derzeit Kupfer, Aluminium und Lithium zu unseren Favoriten.

Quelle: Swisscanto (2023), Bloomberg (2023)

Dennoch ist wichtig zu betonen, dass viele Unternehmen aufgrund ihrer kontrover­sen Aktivitäten aus unserem nachhaltigen Anlageuniversum ausgeschlossen werden. Gleichzeitig setzen wir durch unsere Investment-Stewardship-Bemühungen aber alles daran, diese Unternehmen genau unter die Lupe zu nehmen.

Fazit

Die Energiewende gelingt nur zeitgerecht, wenn das Angebot an Mineralien mit der Nachfrage Schritt halten kann. Eine möglichst nachhaltige Exploration der Vorkom­men, technische Innovationen und Recycling sind von entscheidender Bedeutung, um die Rohstoffmärkte zu entlasten. Die starke Abhängigkeit von einzelnen Ländern wie China bei der Lieferung dieser Rohstoffe und bei vielen Lieferketten für saubere Technologien stellt ein weiteres Risiko für die Transformation dar.

Exkurs: Abhängigkeit von China bedroht Energiewende

Der Abbau von Rohstoffen findet zwar in diversen Ländern statt. Die Verarbeitung dieser Hauptmaterialien ist aber weiterhin stark von einem einzigen Land abhängig, nämlich China (vgl. Abbildung 4). China hat früh erkannt, dass die Themen Dekar­bonisierung und Elektrifizierung zu den wichtigen Megatrends des 21. Jahrhunderts zählen. Folgerichtig verfolgt China eine Industriepolitik mit dem Ziel, den Weltmarkt bei Elektrofahrzeugen, Energiespeicherung, erneuerbare Energien und deren Wert­schöpfungsketten, einschliesslich der kritischen Mineralien zu dominieren.

Abbildung 4: Gewinnung in % (links) und Weiterverarbeitung in % (rechts) von kritischen Mineralien, Quelle: IEA (2019)

Die IEA warnt zudem, dass sich die geografische Konzentration in der Verarbeitung dieser Metalle weiter fortsetzen wird. Dies erhöht das Risiko für Engpässe und instabile Versorgungsketten, die kritische Sektoren der Energiewende beeinträchti­gen können. Um diese Gefahr zu mindern und die Zufuhr kritischer Metalle sicher­zustellen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Diversifizierung in der gesamten Lieferkette durch internationale Zusammenarbeit zu fördern.

 

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