Indien – Schlüsselland für den Klimaschutz
Die Erderwärmung bis 2050 auf unter 1,5°C zu halten, erfordert billionenschwere Investitionen in nachhaltige Technologien. Dabei spielt insbesondere das Schwellenland Indien eine zentrale Rolle.
Indien fährt auf der Überholspur. Kürzlich hat es China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst. Mit hoher Schlagzahl wächst auch die Konjunktur auf dem Subkontinent. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die indische Wirtschaft in den kommenden Jahren mindestens sechs BIP-Prozentpunkte pro Jahr zulegen und damit das weltweit kräftigste Wachstum verzeichnen wird. Damit ist das Land in den nächsten 20 bis 30 Jahren ähnlich schnell unterwegs wie China in den vergangenen zehn Jahren. Investoren bezeichnen Indien deshalb als «the next big thing».
Indien – das neue China?
Diese Wachstumsprognosen haben aber eine Kehrseite: der ansteigende CO2-Ausstoss. Angenommen, Indien wird während der nächsten 20 bis 30 Jahre gleich viel CO2 pro Kopf ausstossen wie China heute, dann steigt Indien zum weltweit grössten CO2-Emittenten auf. Die globalen CO2-Emissionen würden sich gegenüber heute um mehr als neun Gigatonnen (GT) oder um über 25 Prozent erhöhen. Unter diesen Prämissen rückt das globale Ziel der Klimaneutralität, auch Netto-Null genannt, in weite Ferne. Netto-Null bedeutet: Dieselbe Menge an emittierten Treibhausgasen über Reduktionsmassnahmen wieder zu absorbieren.
Jährlicher CO2-Ausstoss pro Kopf seit 2000 (China, Indien und Industrieländer)
Seriöser Klimaschutz verlangt, dass starkes Wirtschaftswachstum in Schwellenländern wie Indien vom Verbrauch fossiler Energieträger entkoppelt wird. Das war für etablierte Industrieländer oder für China nicht der Fall. Chinas Wirtschaftswachstum war der wesentliche Treiber, weshalb der gesamte globale CO2-Ausstoss seit 2000 massiv zugenommen hat, während die Treibhausgasemissionen in den Industrieländern seit 2008 rückläufig sind.
Spagat zwischen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz
Indien ist im besonderen Masse vom Klimawandel betroffen. Zunehmende Hitzewellen und vermehrter Starkregen machen vor allem der Landbevölkerung zu schaffen. Nicht zuletzt deswegen hat sich das Land im Pariser Klimaabkommen verpflichtet, bis 2030 die CO2-Emissionen pro Dollar Bruttoinlandprodukt gegenüber 2005 um 45 Prozent zu senken. Die Klimaneutralität soll 2070 erreicht sein.
Die Internationale Energieagentur (IEA) errechnete, wieviel in die Energiewende bis 2030 investiert werden muss, damit global die Klimaneutralität bis 2050 erreichbar ist. Die IEA zeigt auch, in welche Technologien und wieviel in den einzelnen Ländern zu investieren ist. Weltweit müssen demnach die jährlichen Investitionen in grüne Technologien von USD 1,7 Billionen auf USD 4,5 Billionen steigen. Folgende Grafik zeigt die notwendigen Investitionen für China und Indien.
Notwendige Investitionen in China und Indien, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen
Die Grafik zeigt:
- China muss viel mehr in Clean Energy investieren als Indien. Dies deswegen, weil die Volkswirtschaft und die CO2-Emissionen aktuell viel grösser sind.
- Indien muss Investitionen in emissionsarmen Strom, in Netze & Speicher und in Energieeffizienz über die nächsten zehn Jahre massiv ausbauen. Jeder dieser drei Bereiche muss zu Beginn der nächsten Dekade mit mindestens USD 100 Milliarden pro Jahr alimentiert werden.
- Für China betragen die notwendigen Investitionen in diese Bereiche sogar mehr als USD 250 Milliarden pro Jahr.
- Deutlich zulegen müssen in China Investitionen in Netze & Speicher. Der Wettbewerb ist in diesem Bereich geringer als etwa im Markt für erneuerbare Energien. Das macht Netze & Speicher attraktiv für Investoren.
Fazit
Stark wachsenden Schwellenländern wie Indien darf wegen der Chancengerechtigkeit das Recht auf wirtschaftliche Prosperität nicht verwehrt werden. Das Wachstum muss aber, um im Zielkorridor von Netto-Null zu bleiben, mit sauberen Technologien erfolgen. Das eröffnet Anlagechancen in Schwellenländern und in entsprechende Technologiesektoren. Investitionen in Schwellenland-Unternehmen verlangen stets eine fundierte firmenspezifische Analyse. Alternativ bieten sich Einlagen in Schwellenland-Fonds an, die einen Schwerpunkt auf die Selektion von profitablen Firmen mit Fokus auf Nachhaltigkeitstechnologien setzen.
Eine leicht gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien im Handelszeitung-Special «Green Economy».