Credit-Suisse-Übernahme: Implikationen auf die Finanzmärkte
Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat folgenreiche Auswirkungen auf den Finanzsektor im Allgemeinen. Wir ordnen ein.
Text: Nils Wimmersberger und Rocchino Contangelo
Was ist geschehen?
Die Übernahme der Credit Suisse macht die UBS mit USD 5 Billionen verwalteten Vermögen zur global zweitgrössten Vermögensverwalterin für Privatkunden und drittgrössten Vermögensverwalterin in Europa für institutionelle Kund:innen. In der Schweiz wird die UBS bezüglich Kundeneinlagen und Kreditvergabegeschäft mit deutlichem Abstand zur Marktführerin.
Der Kaufpreis von 76 Rappen pro Aktie, basierend auf den Schlusskursen vom Freitag und dem Aktientauschverhältnis, entspricht weniger als 10 % des zuletzt von der Credit Suisse rapportierten Buchwerts. Das Angebot soll in den nächsten Wochen nach Einholung aller internationaler Regulierungsbehörden finalisiert werden. Die Transaktion soll bis Ende 2023 über die Bühne gehen. Die Integration sowie die Restrukturierung der Credit-Suisse Einheiten wird drei bis vier Jahre dauern und zu einer geschätzten Kostenreduktion von CHF 8 Milliarden führen.
Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist in der aktuellen Situation die wohl zielführendste Lösung und verschafft der UBS mittel- bis langfristig wertsteigernde Opportunitäten. Kurzfristig sind aber die Herausforderungen für die Banken, Finanzdienstleister und Versicherungsindustrie nicht zu vernachlässigen.
Wie positionieren wir uns?
Angesichts der aktuellen Gemengelage mit schwer abschätzbaren Implikationen agieren wir weiterhin vorsichtig. Insgesamt suchen wir in unseren globalen Portfolios weiterhin nach defensiven Qualitätswerten, vor allem bilanzstarken Firmen.
In einem gemischten Portfolio äussert sich unsere defensive Haltung in der Untergewichtung von Aktien und Firmenanleihen. Wir erwarten für dieses Jahr weltweit einen Gewinnrückgang, was bei den weiterhin hohen Aktienbewertungen Kursverluste auslösen dürfte.
In unseren aktiven globalen und Schweizer Aktien-Strategien sind wir im Finanzsektor (Banken/Finanzdienstleister/Versicherungsindustrie) untergewichtet – insbesondere seit der Markt in den Risk-Off Modus geschaltet hat.
Übrigens: In unseren aktiven Fonds halten wir keine Aktien, der sich in Liquidation befindenden US-Banken und auch keine Credit-Suisse-Aktien.
Was sind die Implikationen auf die globale Wirtschaft?
Der Konkurs dreier US-Banken, die Notrettung der First Republic Bank und nun die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verknappen die Liquidität und münden in höheren Finanzierungskosten für die Banken. Das könnte die Kreditvergabe an Unternehmen schmälern, was wiederum deflationär wirkt und zu einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen für die Gesamtwirtschaft führen könnte. Dies nachdem die Zinskosten in den vergangenen zwölf Monaten bereits deutlich angehoben wurden.
Des Weiteren sehen wir weitere Implikationen:
- Coco-Bonds unter Druck: Der gestrige Entscheid, die Coco-Bonds der Credit Suisse vollständig abzuschreiben, sorgt für Irritationen. Wir halten in unserem Coco-Fonds nur einen marginalen Anteil von Coco-Bonds der Credit Suisse. Insofern ist der direkte Verlust aufgrund der Abschreibung des Credit Suisse AT1 Kapitals gering. Die Bewertungseinbussen aufgrund der Korrektur des gesamten CoCo-Segments sind aber signifikant. So haben heute im frühen Handel die AT1-Emissionen sämtlicher Banken sehr stark gelitten. Das Segment zeigt historisch hohe Risikoaufschläge. Gemäss unserer Einschätzung ist insbesondere der europäische Bankensektor in Bezug auf Kapitalisierung und Liquidität aber in einer soliden Verfassung.
- Liquidität im Fokus: Angesichts der eingetrübten Stimmung in der Finanzbranche und des angeschlagenen Kundenvertrauens verlagert sich der Schwerpunkt der Aufsichtsbehörden eindeutig auf die Liquidität. Europäische Banken sind grundsätzlich und im globalen Vergleich weniger von Liquiditätsproblemen betroffen.
- Erhöhtes Rezessionsrisiko: Der Stress im Bankensystem und der daraus resultierende Rückgang der Geschäftstätigkeit, etwa bei der Kreditvergabe an Firmen mit hohem Refinanzierungsbedarf, könnten die Abkühlung der globalen Wirtschaft beschleunigen.
Was machen die Notenbanken?
Die Finanzwelt treibt zudem die Frage um: Richtet die US-Notenbank Fed ihren Fokus weiterhin auf die Inflationsbekämpfung oder auf die Finanzstabilität?
Wir denken, dass der Fokus der Fed weiterhin auf der Inflation liegt – vorausgesetzt die Lage im US-Bankenmarkt eskaliert nicht. Die Situation insgesamt bleibt sehr dynamisch und wird von uns aktiv verfolgt. Weitere Unterstützungsmassnahmen aus regulatorischer Sicht, wie zum Beispiel weitergehende Einlagensicherungen, könnten eine positive Sentiment-Überraschung auslösen. Sie könnten zu einer Neubewertung bei Banktiteln und Anpassung unserer Portfolio-Positionierung führen.