Wirklich «higher for longer»?

Hartnäckige US-Inflationszahlen lassen weiterhin keine Zins­senkungen zu – an den Börsen sorgt dieses «higher for longer» für Verunsicherung. Wir sehen dennoch Chancen in einem bestimmten Aktien­markt und im Schweizer Franken. Und: Wir passen unsere bisher kurze Duration an.

Text: Stefano Zoffoli

In den USA verzögert sich ein Abstieg in tiefere Zinsregionen weiter (Bild: istockphoto.com).

Nachdem die Aktienmärkte im ersten Quartal unaufhaltsam gestiegen waren, liess das Momentum im April aufgrund erneuter Inflationssorgen nach. Die letzten drei US-Inflationszahlen überraschten alle nach oben und die Kerninflation verharrt bei hohen 3,8%. Damit sind auch die Zinssenkungshoffnungen deutlich zurückgegangen und es wird aktuell sogar mit weniger als zwei Zinssenkungen der US-Notenbank in diesem Jahr gerechnet.

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Dr. Anja Hochberg kommentiert die taktische Asset Allocation für den Monat Mai.

Obligationen holen Aktien ein

Aufgrund des erneuten Renditeanstiegs bei den Obligationen (zehnjährige US-Staatsanleihen notieren über 4,7%), liegt die Aktienrisikoprämie in den USA nun nahe 0%. Positiv ist, dass dank der Korrektur etwas Druck abgelassen wurde und sich unsere Sentiment-Indikatoren etwas beruhigt haben. Wir halten deshalb aktuell eine neutrale Aktienquote, die Mitte des Monats durch eine Reduktion von Momentums-Aktien erreicht wurde. Wir bevorzugen Schwellenländer, die ihre Underperformance im April endlich unterbrechen konnten.

Trotz geopolitischer Risiken im Nahen Osten und des damit drohenden Ölpreis­anstiegs sind wir der Ansicht, dass der Renditeanstieg bereits weit fortgeschritten ist und eine Gegenbewegung wahrscheinlicher wird. Auch die Inflationszahlen werden nach unserer Einschätzung in den nächsten Monaten wieder nach unten überraschen. Unter diesen Prämissen verlängern wir unsere bisher kurze Duration.

Insofern: «Higher for longer»? Mittelfristig ja, nicht aber kurzfristig.

Globale Staatsobligationen auf dem Zettel, Gewinnmitnahmen bei Gold

Das Kurs-Upside (bzw. Rückgang der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen auf 3,5%) scheint uns grösser als das Downside (Anstieg der Renditen zehnjähriger Staats­anleihen auf 5%). Wir schliessen deshalb unser Untergewicht in Obligationen. Innerhalb der Obligationen bleiben wir stark untergewichtet in Unternehmens­anleihen und den teuren Schweizer Obligationen, währenddem wir globale Staatsanleihen übergewichten. Bei den Alternativen Anlagen haben wir unser Übergewicht in Gold bereits untermonatlich bei rund USD 2'330 geschlossen.

Wie schätzen wir die Finanz­märkte aktuell ein und wie sind wir positioniert?

  • Die Renditen europäischer Staatsanleihen (DE 2,6%, FR 3,1%, IT 4,0%) notieren weiterhin massiv höher als jene der Eidgenossen (0,7%).
  • Die Inflationsraten in der Eurozone (DE 2,2%, FR 2,3%) sind im Gegensatz zu den USA bereits sehr nahe am Inflationsziel der EZB von 2%, zudem ist die Wirtschaft deutlich schwächer und die EZB zu restriktiv.
  • Die EZB dürfte im Sommer mit dem Zinssenkungszyklus beginnen und damit der Fed zuvorkommen. Deshalb kaufen wir Euro-Staatsanleihen und sichern das Währungsrisiko für jene Anlegerinnen und Anleger ab, die den Euro nicht als Referenzwährung haben.
  • Britische Aktien haben im Aktienrally von November bis März 14% under­performt und sind dadurch relativ noch günstiger geworden (KGV 11 vs. 18 bei Welt). Der Sektormix mit vielen zyklischen Value-Werten hat nicht geholfen.
  • Nun scheint sich das Blatt zu wenden, Materials und Energy profitieren von den hohen Rohstoffpreisen und Financials von den höheren Zinsen, das Preis­momentum hat gedreht.
  • Die Inflationsrate in UK dürfte in den nächsten Monaten aufgrund von Basiseffekten unter 2% fallen und damit den Weg für Zinssenkungen der BoE ebnen. Wir kaufen deshalb UK-Aktien und sichern das Währungsrisiko ab.
  • Der Schweizer Franken hat stark abgewertet (-11% vs. USD, -8% vs GBP, -7% vs EUR), was auch auf die überraschende Zinssenkung der SNB zurückzuführen ist.
  • Die Markterwartungen an die SNB sind sportlich (noch zwei Zinssenkungen in diesem Jahr), das relative Pricing gegenüber der US-Notenbank Fed scheint uns nun übertrieben.
  • Gerade gegenüber dem USD stehen nun wichtige Widerstandslevels an (USD/CHF 0,92) und der CHF ist stark überverkauft (RSI bei 30), auch gegenüber dem EUR sehen wir die Parität als Grenze der Abwertung.
  • Wir sehen keine Trendwende in der strukturellen Aufwertung des Schweizer Frankens und gehen in ein taktisches Übergewicht. Favorisiert bleiben auch der Australische Dollar und die Norwegische Krone.

Asset Allocation Spezial­mandate im Mai 2024

Relative Gewichtung gegenüber der Strategischen Asset Allocation (SAA) in % im April und Mai 2024 (Quelle: Zürcher Kantonalbank, Asset Management)