«Unser KI-Modell findet nahezu unkorrelierte Alpha-Quellen»

Ausgewählte systematische und fundamentale Aktienstrategien im Asset Management der Zürcher Kantonalbank werden seit Kurzem von einem KI-Modell unterstützt. Stefan Fröhlich und Fabian Ackermann erklären, was die Künstliche Intelligenz zu leisten vermag.

Interview mit: Stefan Fröhlich, Portfolio Manager Systematic Equities und Fabian Ackermann, Leiter Systematische Strategien

Stefan Fröhlich, Portfolio Manager Systematic Equities (links), Fabian Ackermann, Leiter Systematische Strategien

Stefan, weshalb braucht es neben den klassischen fundamentalen und systematischen Investmentansätzen noch einen weiteren Ansatz mit künstlicher Intelligenz?

Aktienmärkte sind komplex und werden von einer Vielzahl von Einflussfaktoren wie Unternehmensgewinnen, makroökonomischen Daten, geopolitischen Ereignisse und technologischen Entwicklungen beeinflusst. Bei Aktienstrategien gibt es nicht die eine richtige Strategie, sondern viele erfolgversprechende Ansätze, die jeweils unterschiedliche Alpha-Quellen nutzen und alle ihre Berechtigung haben. Unser KI-Modell findet nahezu unkorrelierte Alpha-Quellen. Entscheidend ist, die verschiedenen Alpha-Quellen zu finden, ihr Risikoprofil zu kennen und sie geschickt zu kombinieren.

Welchen Zusatznutzen bringt die zusätzliche Integration eures KI-Modells?

KI ist frei von Vorurteilen und Emotionen wie Gier, Angst, Panik oder von Herden­trieb. Unser Modell verfügt zudem über ein perfektes Gedächtnis für den jeweiligen Trainingszeitraum. Wir Menschen hingegen haben ein selektives Gedächtnis und können uns nur vage an Ereignisse erinnern, die weit in der Vergangenheit liegen. Zudem haben junge Fondsmanagerinnen und -manager noch keine langjährige Erfahrung mit verschiedenen Konjunkturzyklen, Börsencrashs und Rezessionen. Dadurch, dass sich das KI-Modell dynamisch an veränderte Marktbedingungen anpasst, werden auch Trends und Chancen schnell erkannt. Das Modell kann zudem innert kürzester Zeit grosse Datenmengen analysieren, die für Menschen kaum zu bewältigen wären.

Was heisst das konkret?

Dazu folgendes Beispiel: der MSCI World Small Cap Index ist breit diversifiziert und enthält über 4'000 Aktien. Mit einem fundamentalen Investmentansatz bräuchte es schätzungsweise ein Dutzend Analystinnen und Analysten sowie Fondsmanagerinnen und -manager, um dieses Universum abzudecken. Unser KI-Modell respektive unser Machine-Learning-Algorithmus kann alle Aktien weltweit effizient und umfassend abdecken.

KI-Merkmale auf einen Blick

Quelle: Zürcher Kantonalbank

Delegiert ihr nun alles an das Machine-Learning-Modell?

Auf keinen Fall. Selbstverständlich bleiben wir unserer Anlagephilosophie, die wir seit über 20 Jahre leben, treu. Dabei müssen unsere Entscheidungen stets nachvollziehbar sowie ökonomisch und empirisch fundiert sein. In einem ersten Schritt integrieren wir das Machine-Learning-Modell in ausgewählten Strategien und werden die Entwick­lung fortlaufend evaluieren. Unser konsequentes und vielseitiges Risikomanagement betreiben wir weiterhin über sämtliche Strategien hinweg. Dabei bleiben die Strategien mehrheitlich sowohl länder- als auch sektorneutral und werden gegen die jeweilige Benchmark mit einem Target Tracking Error verwaltet, was schliesslich die Titelwetten limitiert. Das KI-Modell liefert zusätzliche Alpha-Scores. Die Vermögens­verwaltung wird gewohnt durch Portfoliomanagerinnen und -manager ausgeübt. Auch Nachhaltigkeitskriterien werden weiterhin in allen Strategien berücksichtigt.

Fabian, kannst du kurz beschreiben, wie der Anlageprozess mit Künstlicher Intelligenz im Asset Management der Zürcher Kantonalbank aussieht?

Unser Investmentprozess folgt primär drei Schritten. Zu Beginn steht unsere Aktien­datenbank mit derzeit 7'000 Aktien mit täglich aktualisierten Daten seit 25 Jahren. Pro Aktie haben wir über 500 Unternehmenskennzahlen gesammelt, die einen Einfluss auf zukünftige Renditen (Alpha-Quellen) haben können. Diese Rohdaten sind quasi Trainingsplätze für unseren Machine-Learing-Algorithmus. Der Algo­rithmus lernt selbstständig aus den aufbereiteten Daten, erkennt Muster und deckt verborgene Zusammenhänge zwischen Unternehmenskennzahlen und zukünftigen Renditen auf. Danach aggregieren wir die Vorhersagen mehrerer Algorithmen und erhalten so tägliche Renditeprognosen für alle Aktien weltweit.

Im dritten Schritt geht es dann an die Konstruktion der Portfolios?

Korrekt. Dazu nutzen wir das in unserem Portfolio-Management-System integrierte Risikomodell. Es unterstützt uns, um zukünftige Renditen zu maximieren und das optimale Portfolio zu berechnen. Darüber hinaus kontrollieren wir das Risiko, indem wir zum Beispiel die Sektor- und Länderwetten geringhalten und keine grossen Wetten auf einzelne Wertpapiere eingehen.

Quelle: Zürcher Kantonalbank

Was kann man sich unter «verborgenen Zusammenhängen» vorstellen?

Es ist nicht trivial zu verstehen, warum unser Machine-Learning-Modell eine Aktie favorisiert oder nicht. Es gibt jedoch Techniken, mit denen man einen Blick in unser komplexes Modell werfen kann. Hier kommen die sogenannten SHAP-Werte (SHapley Additive ExPlanations) zum Zug. Sie messen den Beitrag jedes Elementes einer Renditeprognose, also des Alpha-Scores. Dank der Integration von SHAP-Werten in unseren Analyseprozess erhalten wir ein tieferes Verständnis darüber, welche Faktoren die Renditeprognose in welchem Ausmass beeinflussen. Dabei gilt es zu beachten: Wurde das Modell auf verzerrten oder fehlerhaften Daten trainiert, reflektieren die SHAP-Werte auch diese Verzerrungen.

Was kann das Modell sonst noch?

Unser Machine-Learning-Modell kann auch nichtlineare Effekte erfassen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass unser KI-Modell Aktien, die beim Shareholder Yield dem achten oder neunten Dezil zugeordnet sind, zwar als attraktiv beurteilt. Aktien im zehnten Dezil, also jene mit dem höchsten Shareholder Yield, favorisiert es hingegen nicht. Dies ist entgegen dem Value-Faktor, der annimmt, dass die Attraktivität mit der Höhe der Shareholder Yield konstant, sprich linear, zunimmt.

Stefan, was zeigen denn die bisherigen Backtests mit der zusätzlichen Integration von KI in Aktienstrategien?

Das Machine-Learning-Modell lieferte in unterschiedlichen Konjunkturphasen einen Mehrwert. Es hat sich gezeigt, dass die erzielten Alphas eine tiefe Korrelation mit denjenigen der bestehenden Hauptfaktoren Value, Quality und Momentum aufweisen. Das war ein wichtiger Punkt, der uns dazu bewogen hat, das Machine-Learning-Modell in gewissen Strategien zu integrieren.

Hand aufs Herz: Backtests sind oft besser als die Realität.

Das Backtesting von Finanzdaten ist eine Wissenschaft für sich und erfordert viel Expertise und Erfahrung. Nach einem «Live Track Record» von 20 Jahren in ausgewählten Strategien können wir bestätigen, dass die Rendite in der Realität tatsächlich öfters etwas tiefer ausfällt als im Backtesting. Dies kann diverse Ursachen haben. Beispielsweise kann ein Selection Bias, eine Stichprobenverzerrung, vorliegen. Zuversichtlich stimmt uns, dass im Backtesting dem Machine-Learning-Algorithmus immer nur jene Daten zur Verfügung standen, welche zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbar waren. Dies ist bei einem klassischen Backtesting nur bedingt möglich.

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Aktien Anlagestrategie