CO2-Bepreisung – das sollten Anleger:innen beachten

Die Besteuerung von CO2-Emissionen kann einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmensbewertung haben. Daraus ergeben sich Investitionschancen und -risiken.

Text: Dominik Ladner und Daniel Fauser

In Europa bildet die marktbasierte CO2-Bepreisung mittels Emissionszertifikate einen potenziell wichtigen Reduktionsanreiz. (istockphoto.com)

Die Reformen des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) und die Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) dürften künftig wegen steigender Klimaambitionen zu signifikanten CO2-Risiken bei gewissen Industrien und Unternehmen führen – insbesondere in Europa. Deshalb ist es für Anlegerinnen und Anleger essenziell, CO2-Risiken und ihren Einfluss auf die Unternehmensbewertung frühzeitig zu erkennen.

China liegt zurück

CO2-Emissionen werden auf unterschiedliche Weise besteuert. In der Folge sind die CO2-Märkte stark durch regionale Unterschiede geprägt. In Europa etwa bildet die marktbasierte CO2-Bepreisung mittels Emissionszertifikate einen potenziell wichtigen Reduktionsanreiz, wogegen sie in den USA eine untergeordnete Rolle spielt. Letztere unterstützen grüne Investitionen stattdessen vorrangig mittels Steueranreizen. Mit Blick auf China, dem weltweit grössten CO2-Markt, ist festzuhalten, dass das Land hinsichtlich CO2-Besteuerung im Vergleich zu Europa noch in den Kinderschuhen steckt

Durch die geplante Einführung des CBAM ab 2026 und des damit verbundenen grenzübergreifenden Anreizsystems sollen auch Nicht-EU-Länder motiviert werden, Treibhausgasemissionen in Zukunft intensiver zu bepreisen. Weiter fokussiert sich der Umfang der Bepreisung in den meisten Regionen stark auf die Energiegewinnung sowie die Industrie und schliesst andere Sektoren noch weitgehend aus.

Trotzdem hat die Bepreisung von CO2 das Potenzial, zu einer der effektivsten technologieunabhängigen Methoden der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu werden. Aber auch unabhängig vom Preis für CO2-Zertifikate werden erhebliche Investitionen in saubere Technologien nötig sein. Laut einer Analyse der Beratungs­agentur McKinsey geht es um jährliche Investitionen in der Höhe von 8 bis 9 % des globalen Bruttoinlandprodukts. Das wären zwischen acht und neun Billionen Dollar (Stand 2021).

CO2-«Sünder» im Fokus

Die regionalen Differenzen in der Bepreisung von Treibhausgasen erschwert die Ermittlung eines globalen CO2-Preises. Unter der Annahme eines solchen globalen CO2-Preises wären vor allem die treibhausgasintensiven Sektoren herausgefordert.

Zu diesen Sektoren gehören vor allem unabhängigen Stromversorger, Baustoff­produzenten, Metallproduzenten sowie Öl- und Gasförderer. Allein unter Berücksichtigung der Sektorzugehörigkeit besteht für sie – sehr vereinfacht gesprochen – ein hohes potenzielles Bewertungsrisiko.

Einfluss der CO2-Bepreisung auf die Aktien-Bewertung (Sektorebene)

Quelle: Zürcher Kantonalbank

Auf Länderebene zählen China und Indien zu den Ländern mit den höchsten CO2-Risiken. Beide beherbergen viele treibhausgasintensive Industrien wie Energie, Stahl, Bergbau oder Chemie. Für die USA, die weltweit am zweitmeisten Treibhausgase emittieren, ist das Risiko geringer. Die Vereinigten Staaten verfügen über eine breit diversifizierte Wirtschaft mit einem grossen Dienstleistungssektor, der einen Teil des Abwärtsrisikos in kohlenstoffdioxidreichen Sektoren auffangen kann.

Das CO2-Risiko lässt sich zwar anhand der Branchenzugehörigkeit einer Firma abschätzen. Dennoch sollte der Top-down-Ansatz immer durch eine Bottom-up-Analyse ergänzt werden. Nur so ist es möglich, das CO2-Risiko ganzheitlich zu erfassen. In diesem Zusammenhang ist die Fundamentalanalyse entscheidend, da weitere Faktoren die Bewertungsrisiken eines CO2-Preises beeinflussen können.

Wie CO2-Risiken mildern?

Nachfolgend eine Selektion von Massnahmen (nicht abschliessend) wie Unternehmen ihre CO2-Risiken mildern können:

  1. Reduktion der Treibhausgasintensität: Das erfordert eine klare Reduktions­strategie und die Bereitschaft, etwa in CO2-arme Anlagen zu investieren. Diese Bereitschaft ist zum einen limitiert durch die finanzielle Möglichkeit von Kapitalausgaben (Höhe von Ausgaben und Verschuldung) und zum anderen durch das Lock-in-Risiko, das heisst, wie schnell alte Anlagen durch neue ersetzbar sind.
  2. Kompensation: Im Idealfall können hohe Betriebsmargen (EBIT) steigende CO2-Kosten auffangen. Auch die Preissetzungsmacht spielt eine Rolle: Wenn ein Unternehmen eine hohe Preissetzungsmacht aufweist, kann es CO2- und Kapitalkosten direkt an seine Kunden weitergeben.
  3. CO2-Hedging: Eine Reduktion des Risikos kann auch über CO2-Hedging erfolgen, indem Firmen heute CO2-Zertifikate (etwa im EU-EHS) in Höhe ihres zukünftigen Ausstosses kaufen und sich damit gegen steigende CO2-Preise absichern.

Absicherung verschafft Zeit

Es ist jedoch zu beachten, dass insbesondere die dritte Option das CO2-Risiko in die Zukunft verlagert. Sie reduziert de facto die CO2-Emissionen des Unternehmens nicht. Die Realität ist jedoch nicht schwarz-weiss. Die CO2-Absicherung verschafft den Unternehmen eine gewisse Zeit, um kurzfristig Reduktionsziele zu erreichen und langfristig Reduktionsmassnahmen umzusetzen, wie zum Beispiel in erneuerbare Energien zu investieren.

Gutes Asset Management berücksichtigt im Rahmen von fundamentalen Analysen gegenwärtige und zukünftige CO2-Risiken auf Unternehmenslevel und lässt sie in Investitionsentscheidungen einfliessen. Aktuelle Entwicklungen etwa im Bereich des geplanten Handelssystems um CBAM müssen eng verfolgt werden, um die Folgen für Unternehmen frühzeitig und umfassend beurteilen zu können. Einerseits können CO2-Risiken unmittelbare Bewertungsrelevanz haben. Andererseits ergeben sich durch eine zunehmend strikte CO2-Bepreisung Chancen für Unternehmen mit sauberen Technologien, wie zum Beispiel erneuerbare Energien, Gebäudeisolierung oder Wärmepumpen.

 

Dieser Beitrag erschien in abgewandelter Form erstmals am 18. Januar 2023 in der Finanz und Wirtschaft / Fonds.

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