Pensionskassen müssen bei der Nachhaltigkeit vorwärtsmachen
Beim Führungsanspruch der Schweiz in Sachen nachhaltige Anlagen kommt den Pensionskassen eine bedeutende Rolle zu.
Text: Iwan Deplazes
Die Schweizer Pensionskassen verwalten für ihre Destinatäre gesamthaft Anlagevermögen im Umfang von mehr als 1'000 Milliarden Franken. Ein riesiges Potenzial! Die Verankerung von nachhaltigen Anlagestrategien bei institutionellen Investierenden gilt als wesentlicher Schritt für die klimaverträglichere Ausrichtung von Finanzflüssen, die vom Bund im Rahmen der Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030» angestrebt wird.
Verpflichtung zu Nachhaltigkeit besteht bis heute nicht
Nachhaltigkeit ist bei der Anlage der Pensionskassengelder heute nicht Bestandteil der Grundsätze der Vermögensverwaltung nach Art. 71 BVG – so die Lehrmeinung. Gemäss dem viel beachteten Rechtsgutachten «Klimarisiken in der Vermögensverwaltung von Pensionskassen» von Niederer, Kraft, Frey kann sich allerdings aus den gesetzlichen Vorschriften eine implizite Pflicht zur Beachtung von Klimarisiken ergeben.
Die UN Principles for Responsible Investment sind da eindeutiger: «Der Klimawandel ist das ESG-Thema mit der höchsten Priorität für Investierende.» Klimarisiken wie Opportunitäten der Dekarbonisierung sind nicht nur langfristig, sondern auch in der kurzen Frist materiell. Das ist für Unternehmen relevant und damit genauso für die Pensionskassen, die deren Aktien und Anleihen kaufen.
Bund hat Klimaverträglichkeit der Finanzbranche getestet
Der Bund hat die Finanzbranche – darunter auch die Pensionskassen – im Jahr 2020 im Hinblick auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft. Die Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung zeigten erste Fortschritte. Das Ziel, eine führende Rolle im Bereich nachhaltiger Finanzflüsse einzunehmen, wird allerdings noch verfehlt, so das Ergebnis.
Es bleibt manches auf der Ebene von Absichtserklärungen stecken. Beispielsweise gaben zwei Drittel der Teilnehmenden der Bundesbefragung an, eine Klimastrategie zu verfolgen. Mehr als die Hälfte der Institute, die eigenen Angaben zufolge Kohle bei ihren Investitionen ausschliessen, halten jedoch weiterhin Aktien und Anleihen von Unternehmen, die Kohle abbauen oder Kohlestrom produzieren.
Eine schnellere Gangart ist absolut wünschenswert
Es ist positiv zu werten, dass die Schweizer Pensionskassen dem Thema Nachhaltigkeit zunehmend Bedeutung beimessen – wie im Rahmen der Pensionskassenstudie von Swisscanto belegt werden konnte. ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) als eine Variante von nachhaltigen Strategien waren per Ende 2021 bei 33 Prozent der Pensionskassen im Anlagereglement verankert (Vorjahr 25 Prozent, siehe Grafik). Die Pensionskassen der öffentlichen Verwaltung nehmen hier eine Vorreiterrolle ein, die privaten Pensionskassen ziehen mit einem zeitlichen Abstand von etwa drei Jahren nach.
Anteil Pensionskassen mit ESG-Kriterien im Anlagereglement
Insgesamt wäre hier sicherlich eine deutlich schnellere Gangart wünschenswert. Das gilt laut der Pensionskassenstudie vor allem für die Messung der CO2-Intensitäten der Portfolios (siehe Grafik unten). So messen heute erst 7 Prozent der kleineren Pensionskassen die Treibhausgasemissionen ihrer Portfolioinvestitionen, bei den grossen Pensionskassen sind es immerhin 40 Prozent.
Pensionskassen bedeutend für den Führungsanspruch
Alle Finanzströme sollen klimaverträglich ausgerichtet werden, um damit ressourcenschonende, zukunftsfähige Aktivitäten zu fördern. Die Schweiz ist gemäss Swiss Banking mit gesamthaft verwalteten Vermögen von rund 7'878 Milliarden Franken nicht nur ein wichtiger Player, sondern mit 24 Prozent Marktanteil sogar die Nummer eins im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft – mit entsprechend hoher Verantwortung für die Gestaltung der Finanzflüsse.
Die Pensionskassen sind somit Teil des Schweizer Führungsanspruchs. Sie haben es in der Hand, diesem Führungsanspruch vorbildlich gerecht zu werden.
Luft nach oben bei der Messung der CO2-Emissionen
in % aller Vorsorgeeinrichtungen
Der Artikel ist erstmals erschienen am 16. September 2022 in der Neuen Zürcher Zeitung.