Circular Economy: So wirkt das Recht auf Reparatur
Wer von der Kreislaufwirtschaft spricht, denkt oftmals nur an Recycling. Grosses Potenzial bietet aber auch die Verlängerung des Produktlebenszyklus. Die neue EU-Vorschrift zum «Recht auf Reparatur» dürfte die Wertschöpfungskette für bestimmte Produkte massgeblich verändern. Für Anlegerinnen und Anleger kann sich deshalb ein genauer Blick darauf lohnen.
Autoren: Cezara Lozneanu, Fondsmanagerin, und Yohann Terry, Fondsmanager, Asset Management der Zürcher Kantonalbank.
Laut der Europäischen Kommission sorgt die vorzeitige Entsorgung von Konsumgütern jährlich für 261 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e). Der Ressourcenverbrauch ist mit 30 Millionen Tonnen genauso eindrücklich wie die 35 Millionen Tonnen Abfall, die durch deren Entsorgung entstehen. Und auch die finanziellen Auswirkungen lassen aufhorchen: Weil Waren ersetzt statt repariert werden, wird der wirtschaftliche Verlust auf EUR 12 Milliarden geschätzt. Entsprechend hohes Potenzial bietet die Kreislaufwirtschaft.
Spricht man von Circular Economy, beschränkt sich die Diskussion oftmals auf Recycling. Der Ansatz gilt traditionell als Grundlage, um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu verwirklichen. Inzwischen scheint sich der Fokus vermehrt zu verlagern. Ebenso wichtig werden Konzepte wie die Sharing Economy, sprich das gemeinsame Nutzen von Gütern, oder die Verlängerung des Lebenszyklus der Fabrikate. Zu denken ist an die Reparatur und die Aufbereitung von Produkten durch die Hersteller und Verkäufer oder das Bereitstellen von Ersatzteilen für Reparaturbetriebe. Durch dieses Vorgehen wird die Alterung der Produkte verlangsamt, was der Wegwerfgesellschaft entgegengewirkt.
Genau in diese Richtung zielen auch die jüngsten Vorschriften zum «Recht auf Reparatur» (Right to repair), die diesen April vom EU-Parlament verabschiedet wurden. Die neuen Richtlinien verpflichten die Hersteller von Unterhaltungselektronik und Alltagsgegenständen wie Waschmaschinen, Staubsauger oder Geschirrspüler, die in der EU verkauft werden, ihre Produkte für die Konsumentinnen und Konsumenten länger nutzbar zu machen. Dies umfasst nicht nur die Reparatur der eigenen Geräte, sondern auch die Verpflichtung, Ersatzteile und Reparaturinformationen für Verbraucher und Dritte bereitzustellen. Der Rechtsakt zielt darauf ab, den Wettbewerb zwischen Reparaturbetrieben zu fördern und den Verbrauchern die Wahl der Dienstleistungen zu erleichtern. Reparaturen sollten rechtzeitig und zu fairen Preisen erfolgen, damit «die Verbraucher nicht absichtlich davon abgehalten werden, die Reparaturverpflichtung der Hersteller in Anspruch zu nehmen.» Wichtig ist auch, dass Reparaturen, die im Rahmen einer Garantieleistung durchgeführt werden, die Garantie um ein Jahr verlängern.
Ergänzend zum Recht auf Reparatur hat das EU-Parlament die überarbeitete Ökodesign-Richtlinien verabschiedet. Diese zielen darauf ab, die Nachhaltigkeit mehrerer in der EU verkaufter Produktkategorien durch die Einführung von digitalen «Produktpässen» zu verbessern, die den Verbrauchern Informationen über die Haltbarkeit, Wiederverwertbarkeit oder Reparierbarkeit der Artikel liefern. Die neuen Vorschriften verbieten auch die Vernichtung von unverkaufter Kleidung, Bekleidungszubehör und Schuhen. Die beiden EU-Richtlinie sind seit Ende Juli 2024 in Kraft.
Kreislaufwirtschaft als Investitionsthema
Die gesetzgeberischen Massnahmen – sie sind Teil des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft 2020 – bestärken uns, das Thema «Circular Economy» auch als Investitionsthema voranzubringen. Denn zumindest in der EU zeichnet sich ein tiefgreifender Wandel hin zu einer nachhaltigen Verbrauchs- und Produktionspolitik ab. Wir würden es beispielsweise begrüssen, wenn neue Produktkategorien in den Geltungsbereich aufgenommen würden. Denn häufig stellen die Kosten für Reparaturen nach wie vor hohe Hürden bei der Entscheidung dar, ob ein Produkt repariert oder ersetzt werden soll – selbst wenn die Fehlerbeseitigung zu «fairen Preisen» angeboten wird. Dies gilt insbesondere für weniger hochwertige Produkte oder wenn die Reparaturen in der EU erfolgen, wo die Arbeitskosten hoch sind.
Die Verlagerung hin zu einer auf Reparaturen ausgerichteten Gesetzgebung hat auch Auswirkungen auf Investitionen, insbesondere da sich die Wertschöpfungskette für bestimmte Produkte verändert. Entscheidend wird sein, wie die Hauptakteure die Kreislaufinitiativen aufnehmen und ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen werden, um unter diesen sich wandelnden Rahmenbedingungen die Gewinner und Verlierer zu identifizieren.
Betroffen von den Umstellungen sind zuallererst die Hersteller. Dabei ist entscheidend, wie es ihnen gelingt, ihre Produkte umzugestalten und den neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Als kritischer Faktor der Entwicklung könnte sich die Grösse der Hersteller entpuppen, da sie mitbestimmen werden, wie einfach es für die Unternehmen zukünftig sein wird, zuverlässige Beziehungen zu Anbietern von Reparaturdiensten und Ersatzteilherstellern aufzubauen. Gleichzeitig könnten wichtige Änderungen im Design von Produkten die Arbeitsintensität der Reparaturen minimieren.
Hochwertige Waschmaschinen haben im Laufe der Zeit weniger Ausfälle
Wir sind gespannt, wie die neuen Gesetze das Wettbewerbsumfeld in Europa verändern werden und beobachten den Markt im Hinblick auf eine mögliche Konsolidierung. Weiter erwarten wir, dass Unternehmen, die sich auf die Herstellung nachhaltiger, qualitativ hochwertiger Produkte und After-Market-Services fokussieren, von diesen Veränderungen profitieren werden. Aus Volumen- und Margensicht dürften die Risiken abnehmen, da die Produkte tendenziell eine längere Lebensdauer aufweisen. Wie die Stiftung Warentest zeigt, steigen zum Beispiel die Haltbarkeit und die Lebensdauer von Waschmaschinen in Deutschland mit dem Preis des Geräts. Waschmaschinen, die weniger als EUR 550 kosten, sind dreimal so häufig defekt wie Geräte, die EUR 700 oder mehr kosten. Die neuen Regeln werden den Verbrauchern also deutlich zeigen, welche Marken die längste Lebensdauer bieten und damit den Aufpreis für das Produkt rechtfertigen.
In diesem dynamischen Marktumfeld lohnt sich auch ein Blick auf den Einzelhandel. Die Auswirkungen auf ihr Ergebnis werden wahrscheinlich von Faktoren wie der Flexibilität des Geschäftsmodells und der Stärke der Beziehungen zu Lieferanten sowie zu Service- und Reparaturwerkstätten abhängen. Der Reparaturmarkt mit einem Volumen von USD 1,54 Milliarden dürfte überproportional wachsen, wie das von Research & Market prognostizierte weltweite Wachstum von 8 % im Zeitraum 2023 bis 2028 zeigt.
Abschliessend ist zu sagen, dass wir die neuen Rechtsvorschriften begrüssen und davon ausgehen, dass sie die Nachhaltigkeit der in der EU verkauften Produkte schrittweise verbessern werden. Der Übergang zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft wird jedoch langwierig sein und erfordert unserer Ansicht nach weitere regulatorische Massnahmen und ein grösseres Bewusstsein der Verbraucher. Als nachhaltiger Investor suchen wir nach nachhaltigen und attraktiven Geschäftsmodellen, die gut positioniert sind, um dieses Wachstumspotenzial zu nutzen und Lösungen für diesen Bedarf anzubieten. Produkthersteller mit anerkannter Führungsposition in Sachen Nachhaltigkeit und Service dürften wahrscheinlich von diesen Trends profitieren.