«Die Pflege Zuhause bringt nur Gewinner»

Pflege von Hilfsbedürftigen Zuhause erhöht deren Wohlbefinden, wirkt kostendämpfend und eröffnet deshalb attraktive Anlagechancen. Das sind die Hauptstränge einer Analyse, verfasst von Andreas Giger, Senior Equity Analyst. Im Interview fühlt er dem Heimpflegemarkt den Puls.

Interview mit Andreas Giger

Andreas Giger, CFA, Senior Equity Analyst im Asset Management der Zürcher Kantonalbank

Basis des Interviews bildete das Theme Assessment zum Thema Home Healthcare.

Andreas Giger, was ist konkret unter «Home Care» (häusliche Pflege) zu verstehen?

Dieses Leistungsangebot für Hilfsbedürftige umfasst neben der Gesundheit auch ganz alltägliche Aspekte wie unterstützende Körperpflege oder Haushaltsdienste.

Wie lautet das Kernargument, in den Markt der häuslichen Pflege zu investieren?

Der Sektor der häuslichen Pflege bietet angesichts der älter werdenden Bevölkerung und des Kostendrucks im Gesundheitswesen überdurchschnittliches, vom generellen Wirtschaftszyklus unabhängiges und profitables Wachstum bei gleichzeitig moderater Bewertung.

Das Marktvolumen wird auf gegen 400 Milliarden Dollar beziffert, mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu 10 Prozent. Was sind die primären Treiber?

400 Milliarden - das ist zwar ein stattliches Marktvolumen. Der Anteil der häuslichen Pflege an den gesamten Gesundheitsausgaben beträgt aber bloss drei Prozent (siehe Abbildung, unten). Unbestritten ist indes: Der Anteil der älteren Bevölkerung wächst in sämtlichen Industrieländern und somit auch die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Die Finanzierungsfrage ist noch nicht gelöst. Deshalb bietet sich die häusliche Pflege als Kostensparmassnahme ohne Qualitätseinbusse an. In den USA wird sich dieser Prozess aufgrund der wirtschaftlichen Anreizsysteme wahrscheinlich dynamischer und schneller entwickeln. In anderen Ländern ist der Prozess noch mehr von öffentlichen Prozessen abhängig. Die wirtschaftliche Argumentation ist jedoch dieselbe und wird unabhängig von der politischen Ausrichtung zu ähnlichen Lösungsansätzen zugunsten der häuslichen Pflege führen. Eine Verbesserung der Tragbarkeit ist ebenfalls im Interesse der Allgemeinheit.

USA: Geschätzte Gesundheitsausgaben 2022 nach Leistungserbringer in USD Mrd.

Quelle: CMS, Office of the Actuary, National Health Statistics Group

Und welches sind die Hauptrisiken für die Branche der häuslichen Pflege im Allgemeinen?

Das Hauptrisiko hat sich in den vergangenen zwei Pandemiejahren gezeigt. Die Uunternehmen im Bereich der häuslichen Pflege waren in dieser Phase mit Personalknappheit und damit verbunden mit steigenden Lohnkosten konfrontiert. Zudem sorgten die aus Sicht der Branche negativen Vorschläge der US-Regierung, die kürzlich publiziert wurden, für Verstimmung. Dabei geht es um die jährlich zu aktualisierenden Vergütungsleistungen von Medicare. Hier ist der Entscheidungsprozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen und ein für die Branche vorteilhafteres Endresultat ist weiterhin möglich. Doch damit hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Politik ebenfalls ein wichtiger Faktor ist. Ganz allgemein steht auch die langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens als öffentliches Gut auf dem Prüfstand. Auch wenn eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung in der öffentlichen Meinung breite Unterstützung geniesst, drohen längerfristig angesichts der generell angespannten Situation der Staatshaushalte Budget- und somit auch Leistungskürzungen im Gesundheitswesen.

Stimmt es, dass die Covid-Pandemie den Sektor der häuslichen Pflege – insbesondere die Telemedizin – beflügelt?

Ja, das ist richtig. Die Pandemie hat sicherlich die Entwicklung der Technologie sowie die allgemeine Akzeptanz von modernen Kommunikationsmitteln und Digitalisierung im Gesundheitswesen beschleunigt.

Die Schlüsselunternehmen der Branche sind grossmehrheitlich in den USA domiziliert. Wie haben sich deren Bewertungen entwickelt und welches sind die wichtigsten Player?

Die Bewertungen der investierbaren Aktien wurden bereits vor der 2022 einsetzenden allgemeinen Kurskorrektur der Wachstumswerte aufgrund der bereits angesprochenen Lohnkostenproblematik zurückgestuft. Neben dem noch unabhängigen Marktführer Amedisys, sind es spezialisierte Werte, wie etwa Chemed, Addus HomeCare, Option Care und AdaptHealth.

Die «Pure Plays» vereinen einen relativ kleinen Marktanteil auf sich. Wie wahrscheinlich sind Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor?

In der jüngsten Vergangenheit ist es in den USA bereits zu vereinzelten Übernahmen durch vertikal integrierte Gesundheitsversorger gekommen. Auch die Konsolidierung innerhalb dieser spezialisierten Branche schreitet voran. Dieser Trend wird meines Erachtens anhalten, denn der Bereich ist immer noch stark fragmentiert. Es gibt zudem eine Vielzahl von nicht gelisteten Organisationen. Auffällig ist, dass die führenden kotierten US-Unternehmen bezüglich Leistungsqualität und Patientenzufriedenheit gegenüber dem Branchenschnitt seit Einführung eines Bewertungssystems vor einigen Jahren stets bessere Werte erzielen konnten. Dies unterstreicht die Werthaltigkeit des spezialisierten Geschäftsmodells «Häusliche Pflege».

Die häusliche Pflege wirkt zwar kostendämpfend. Die Durchdringungsrate ist in vielen Ländern aber tief. Weshalb?

Das hängt wohl mit der Regulierung und zaghaften Modernisierung der oft bürokratischen Vergütungsprozesse für medizinische Leistungen zusammen. Wirtschaftliche Anreizsysteme wie etwa leistungsabhängige Vergütungen an die Leistungserbringer oder die etablierten HMO-Modelle dürften in diesem Zusammenhang einen positiven Beitrag leisten.

 

Weiterführende Informationen finden Sie in unserem Theme Assessment «Home Healthcare».

Rechtliche Hinweise: Die Publikationen wurden vom Buy-Side Research des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank erstellt. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden nicht im Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt und unterliegen auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.

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